Split

Seit M. Night Shyamalan mit seinen Filmen „The Happening“, „Die Legende von Aang“ und „After Earth“ längst nicht mehr die Qualität seiner atmosphärisch-gruseligen Blockbuster-Erfolge „Sixth Sense“, „Unbreakable“, „Signs“ und „The Village“ erreichen konnte, war der Autor, Produzent und Regisseur in Hollywood bereits nahezu abgeschrieben. Wie Shyamalan dann allerdings mit dem kleinen Horror-Thriller „The Visit“ wieder die Kurve zu alten Tugenden bekam, war schon bemerkenswert, und sein neues Werk „Split“ knüpft glücklicherweise nahtlos daran an.
Als die Teenager-Freundinnen Claire (Haley Lu Richardson), Martha (Jessica Sula) und die eher aus Mitleid eingeladene, eigenbrödlerische Casey (Anya Taylor-Joy) nach einer Geburtstagsfeier auf dem Parkplatz von einem Unbekannten (James McAvoy) entführt werden, beginnt für die jungen Frauen eine ungewöhnliche Tortur. Denn wie vor allem Casey schnell feststellt, ist ihr Entführer alles andere als ein normaler Mann. Mal erweist sich Kevin – so sein eigentlicher Name – als reinlichkeitsfanatischer Neurotiker, dann als lispelnder neunjähriger Junge, dann wieder als sensibler Modedesigner. Insgesamt 23 verschiedene Persönlichkeiten schlummern in dem unter einer dissoziativen Persönlichkeitsstörung leidenden Kevin, dessen Identitäten immer wieder Notrufe an die Psychiaterin Dr. Fletcher (Betty Buckley) absetzen.
In den Sitzungen versucht die engagierte Ärztin dem außergewöhnlichen Phänomen auf die Spur zu kommen und beginnt zu ahnen, dass in Kevin sogar eine 24., weitaus gefährlichere und unberechenbarere Persönlichkeit schlummert. Derweil versuchen die Mädchen, vor allem über die kindischen und schüchternen Persönlichkeiten ihres Peinigers Fluchtmöglichkeiten aus dem Kellerverlies zu finden, denn sie wissen, dass ihnen nur noch wenig Zeit bleibt …
„Split“ beginnt ohne große Einführung als klassischer Entführungsthriller, der seine erste Abkehr von den Genrekonventionen aber auch schon nach kurzer Zeit demonstriert, wenn James McAvoys Figur eine andere Identität annimmt und sowohl bei den gekidnappten Mädchen als auch beim Publikum ein unbestimmtes Unbehagen auslöst. Denn wie sich die Charakterisierung und Präsentation auf den weiteren Verlauf des Entführungsszenarios auswirkt, lässt sich nur erahnen, zumal die wissenschaftliche Dimension, die in Gestalt der engagierten Psychiaterin thematisiert wird, die Vorahnung gefahrvoller Entwicklungen auch noch unterfüttert.
Das Zusammenspiel zwischen Kevin und seiner Psychiaterin gehört dabei ebenso zu den spannungskonstituierenden Momenten des Films wie das verzweifelte Ansinnen der Mädchen, ihrem unberechenbaren Kidnapper (und der Vielzahl seiner Persönlichkeiten) und dem Gefängnis zu entfliehen. In dieser Hinsicht wird wenigstens der persönliche Hintergrund von Casey, der faszinierendsten Figur neben Kevin, durch einige Rückblenden aus ihrer Kindheit beleuchtet. Wie Shyamalan diese latent bedrohlichen Entwicklungen inszeniert, zeigt seine zum Glück nicht nachlassende Fähigkeit, unheimliche Stimmungen atmosphärisch zu verdichten.
Dabei leisten ihm vor allem James McAvoy („Abbitte“, „Drecksau“) als spielfreudiger Verwandlungskünstler und Identitätenwechsler ebenso herausragende Dienste wie Anya Taylor-Joy („The Witch“, „Das Morgan Projekt“) als taffe junge Frau, die sich nicht damit begnügt, sich in ihr Schicksal zu ergeben.
Am Ende wartet Shyamalan wieder mit einem überraschenden Clou auf und demonstriert, dass nach wie vor mit ihm zu rechnen ist.
"Split" in der IMDb

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