Jahrhundertfrauen

Bereits mit seinem Regiedebüt „Thumbsucker – Bleib wie du bist!“ (2005) hat der kalifornische Filmemacher, Grafikdesigner und Künstler Mike Mills eine einfühlsame Coming-of-Age-Geschichte inszeniert, auf die er fünf Jahre später die Coming-out-Story „Beginners“ folgen ließ. Mit „Jahrhundertfrauen“ bleibt er dem Familienleben treu und präsentiert einen wunderbar spielenden Cast in einer sympathisch vertrackten Wohngemeinschaft, in der eine alleinerziehende Mutter mit unorthodoxen Mitteln einen Zugang zu ihrem pubertierenden Sohn zu finden sucht.
Die selbstbewusste Mittfünfzigerin Dorothea Fields (Annette Bening) lebt 1979 im kalifornischen Santa Barbara mit ihrem 15-jährigen Sohn Jamie (Lucas Jade Zumann) in einem heruntergekommenen Haus, in dem auch der Handwerker William (Billy Crudup) und die junge Fotografin Abbie (Greta Gerwig) als Mieter zuhause sind. Außerdem kann auch die 17-jährige Julie (Elle Fanning) als Jamies beste Freundin schon zum Haushalt gezählt werden, so oft wie sie bei Jamie – ohne Sex mit ihm zu haben – übernachtet.
Da Dorotheas Versuche, für Jamie einen passenden Ersatzvater zu finden, regelmäßig gescheitert sind, holt sie nun Abbie und Julie ins Boot, um dafür zu sorgen, dass aus Jamie ein richtiger Mann wird. Für die beiden jungen Frauen besteht diese Aufgabe zunächst einmal darin, Jamie mit feministischer Literatur und der adäquaten Annäherung an das weibliche Geschlecht bekannt zu machen …
Der ehemalige Musikvideo-Regisseur (u.a. für Air, Moby und Pulp) und Dokumentarfilmer Mike Mills beweist auch in seinem dritten Spielfilm ein feines Gespür für die Psychologie seiner Figuren, die er mit liebevoller Sympathie in seinem Oscar-nominierten Drehbuch gezeichnet hat. Das gibt vor allem Annette Bening („American Beauty“, „Being Julia“) einmal mehr die Möglichkeit, in einer starken Frauenrolle zu brillieren, indem sie ihrer Figur die richtige Mischung aus verzweifeltem Bemühen um die richtige Erziehung und Verständnis für ihren Sohn sowie eine erfrischende Neugier auf die Lebenswelt ihres einzigen Kindes aufbringt. Gerade in Szenen, in denen sie sich in einen Club begibt oder den Unterschied zwischen Black Flag und den Talking Heads herauszufinden versucht, aber auch wenn sie von der 17-Jährigen darauf angesprochen wird, dass Dorothea mit ihren Männern bislang kein Risiko eingegangen sei und sie unpassend gewesen seien, kommen die Facetten ihrer Figur wunderbar zur Geltung. Auf der anderen Seite ist es ebenso rührend und witzig zu verfolgen, wie Greta Gerwig („Lola gegen den Rest der Welt“, „Frances Ha“) als punkige Fotografin versucht, Jamie nicht nur in die Technik des Tanzens, sondern auch in die Geheimnisse der Natur der Frauen einzuweihen. Aber auch Lucas Jade Zumann („Sinister II“) als junger Mann zwischen ganz unterschiedlich alten und veranlagten Frauen mit gesundem Selbstbewusstsein und Elle Fanning („The Neon Demon“, „Maleficent - Die dunkle Fee“) als verletzliche wie taffe beste Freundin haben immer wieder ihre ganz starken Momente. Die humorvollen, feinsinnigen und tiefgründigen Dialoge machen das Coming-of-Age-Drama ebenso unterhaltsam wie der coole Soundtrack und natürlich die Spielfreude des grandiosen Ensembles.
"Jahrhundertfrauen" in der IMDb

Kommentare

Beliebte Posts