Der andere Liebhaber

Der französische Filmemacher François Ozon hat sich wie seine großen Vorbilder Douglas Sirk und Rainer Werner Fassbinder in seinen Filmen stets dafür interessiert, was Menschen einander lieben und hassen, begehren und töten lässt. Dafür hat er in seiner umfangreichen Werksbiografie ganz unterschiedliche Genres von der Komödie („Sitcom“) über den Kostümfilm („Angel“) und den Krimi („8 Frauen“) bis zum Thriller („Swimming Pool“) bedient. Mit seinem letzten Film „Der andere Liebhaber“ begibt er sich mit der Verfilmung eines Romans von Joyce Carol Oates auf die Spuren von Brian De Palma.
Nachdem die 25-jährige Chloé (Marine Vacth) ihren einträglichen Job als Model an den Nagel gehängt hat, weiß sie nichts Rechtes mit sich anzufangen und leidet unter nahezu chronischen Magenschmerzen. Da ihre Frauenärztin keine organischen Ursachen für Chloés Leiden entdecken kann, empfiehlt sie ihr eine Psychotherapie. Bei Paul Meyer (Jérémie Renier) kann sie sich zwar ihre Sorgen von der Seele reden, aber nach nur wenigen Sitzungen beendet Meyer die Therapie, weil er Gefühle für seine attraktive Patientin entwickelt hat.
Chloé ist glücklich, endlich eine gesunde Beziehung führen zu können. Sie findet einen Job als Aufsicht in einem Museum und zieht mit Paul zusammen. Doch beim Ausräumen der Umzugskartons entdeckt sie einen Pass von Paul, in dem er einen anderen Nachnamen trägt. Paul gibt nur auf weiteres Drängen seiner Freundin zu, dass er einen Zwillingsbruder namens Louis (ebenfalls Jérémie Renier) hat, mit dem er allerdings nichts mehr zu tun haben will.
Chloé geht nun unter falschem Namen bei Louis in Therapie, der allerdings einen ganz anderen Ansatz verfolgt und mit Chloé eine Affäre aufzwingt, die sie durchaus reizvoll findet. Doch je mehr sie in die Familiengeschichte der Zwillingsbrüder eintaucht, desto tiefere Abgründe tun sich auch in ihrem eigenen Leben auf …
Schon mit den Spiegelungen der Namen im Vorspann bestreitet Ozon in seinem Film „Der andere Liebhaber“ ein Spiel mit Doppelungen und Reflexionen, das sich konsequent bis zum Abspann durchzieht und vor allem souverän in Wohnungsfensterfronten und Kleiderschrankspiegeln zum Ausdruck kommt. Dabei beginnt der Psychothriller recht konventionell mit einer Affäre, die sich aus einer gewöhnlichen Therapeuten-Patienten-Beziehung ergibt und vor allem in sexuelle Hinsicht von Ozon illustriert wird.
Interessant wird der Plot erst, als Pauls Zwillingsbruder ins Spiel kommt und auf Chloé eine ganz andere Anziehungskraft ausübt als Paul. Ebenso wie Chloé ist auch der Zuschauer gespannt, wohin das Spiel mit den Identitäten und dem Wechsel zwischen der Geborgenheit in der Beziehung mit Paul und die leidenschaftliche Affäre mit seinem dominanten Bruder wohl führen mag. Allerdings haben das sowohl Brian De Palma in Filmen wie „Die Schwestern des Bösen“ und „Mein Bruder Kain“ als auch George A. Romero in der Stephen-King-Verfilmung von „Stark – The Dark Half“ weitaus spannender in Szene gesetzt.
„Der andere Liebhaber“ gefällt vor allem durch die stilsichere Kameraarbeit von Manuel Dacosse („Der Tod weint rote Tränen“), übertreibt allerdings den Einsatz verschiedener Doppelrollen, die der Glaubwürdigkeit der Geschichte schaden und dennoch in einem sehr vorhersehbaren Finale münden. 
"Der andere Liebhaber" in der IMDb

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