Verblendung
Allzu euphorisch sind Filmliebhaber selten, wenn sich Hollywood einmal mehr daran macht, erfolgreiche Produktionen aus Europa oder Fernost nach amerikanischen Standards neu zu verfilmen, aber manchmal gibt es rühmliche Ausnahmen. Dazu zählt neben Matt Reeves' Adaption von Tomas Alfredsons "So finster die Nacht" mit dem Titel "Let Me In" vor allem auch David Finchers neue Interpretation von Stieg Larssons Auftakt seiner "Millennium"-Trilogie, "Verblendung".
Zwar reicht "The Girl With The Dragon Tattoo" - so der Originaltitel - nicht ganz an die beklemmende Intensität von Niels Arden Oplevs ursprünglicher Verfilmung heran, dafür ist der Plot etwas straffer geraten und der Thematik entsprechend herrlich düster inszeniert worden.
Der ehrgeizige Enthüllungsjournalist und "Millennium"-Mitherausgeber Mikael Blomkvist (Daniel Craig) verliert vor Gericht einen Prozess gegen den Unternehmer Wennerström, nachdem er auf eine geschickt lancierte Falschinformation hereingefallen war, und muss dafür mit seinen gesamten Ersparnissen bluten. Blomkvist will sich gerade eine Auszeit nehmen, da beauftragt ihn der Großindustrielle Henrik Vanger (Christopher Plummer) mit der Aufklärung eines ungelösten Familiendramas. Nach einem Familientreffen in den 60er Jahren ist Vangers damals 16-jährige Nichte Harriet spurlos verschwunden. Blomkvist wühlt sich nicht nur durch die umfangreichen Familienarchive, sondern befragt auch die allesamt auf der Vanger-Insel lebenden, teilweise arg miteinander verfeindeten Familienangehörigen und den damals ermittelnden Kriminalbeamten. Mit der unorthodoxen Ermittlerin Lisbeth Salander (Rooney Mara) kommt Blomkvist aber auch an Informationen, die ihn bei der Enthüllung der Ereignisse von damals entscheidend voranbringen. Doch dieses Engagement wird nicht von allen Vanger-Angehörigen begrüßt.
David Finchers filmische Adaption des schwedischen Krimi-Bestsellers legt ähnlich großen Wert auf die Beziehung zwischen Blomkvist und die viel jüngere, problembelastete Salander wie die schwedische Verfilmung. Auch schreckt Fincher nicht vor drastischen Szenen zurück, die das skandinavische Original in aller Brutalität präsentierte. So wird auf der einen Seite deutlich, warum Lisbeth Salander die resolute junge Frau mit eigenem Kopf geworden ist, die sie ist, und warum sie sich zu Blomkvist hingezogen fühlt. Mit der Besetzung bewies Fincher dabei ein gutes Händchen. Rooney Mara ("The Social Network") mimt die stark tätowierte und gepiercte Ermittlerin ebenso zerbrechlich wie willensstark, James-Bond-Darsteller Daniel Craig macht auch als gewissenhafter Autor einen guten Eindruck. Daneben verblasst Robin Wright als Blomkvists Co-Herausgeberin und Geliebte, hat aber auch zu wenige Szenen, um wirklich punkten zu können. Das gelingt nur noch Christopher Plummer ("Ein russischer Sommer", "Priest") als sympathischer Patriarch.
Neben der spannend inszenierten Geschichte punktet Finchers "Verblendung" vor allem mit tollen Bildern und einem Hollywood-untypischen, elektronisch repetitiven Score des Oscar-prämierten Duos Atticus Ross und Trent Reznor ("The Social Network"). Man darf gespannt sein, ob Hollywood auch die Sequels produziert und wer sie inszenieren wird.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen