Rum Diary
Bis zu seinem Freitod am 20. Februar 2005 zählte Hunter S. Thompson mit seinem „Gonzo“-Journalismus, mit dem er die Grenzen zwischen Literatur und Journalismus verwischte, nicht nur zu den Erfolgsfiguren des „Rolling Stone“-Magazins, der von der Beat-Generation beeinflusste Autor versuchte sich auch an Romanen, die jedoch lange Zeit keinen Verleger fanden. Nachdem bereits Terry Gilliam 1998 den Thompson-Roman „Fear and Loathing in Las Vegas“ mit Johnny Depp in der Hauptrolle des Thompson-Alter-ego „Raoul Duke verfilmt hatte, ließ es sich Thompsons Freund Johnny Depp nicht nehmen, auch in der Adaption von „The Rum Diary“ unter der Regie von Bruce Robinson die vertraute Rolle des versoffenen Journalisten zu verkörpern.
Nach zwei gescheiterten Roman-Manuskripten und angeödet von der verlogenen Politik seiner US-amerikanischen Heimat heuert Paul Kemp (Johnny Depp) 1959 bei einem Blatt in Puerto Rico an, das – da es von US-Geldgebern finanziert wird – längst keinen Enthüllungsjournalismus mehr auf seinen Fahnen stehen hat, sondern nur die US-Touristen bei Laune halten will. Wenn Kemp nicht gerade über den Zauber massenhaft aus dem Boden schießender Bowlingbahnen berichtet, hängt er mit seinen Zimmergenossen und Kollegen Moberg (Giovanni Ribisi) und Sala (Michael Rispoli) in Bars ab und führt sich nahezu reinen Alkohol zu Gemüte. Sein trostloses Dasein nimmt allerdings eine interessante Wendung, als er die schöne Chenault (Amber Heard) kennenlernt, deren wohlhabender Geliebter (Aaron Eckhart) Kemp für seine Zwecke einspannen will, um für sein nächstes Immobilien-Projekt eine Lobby in der Öffentlichkeit zu gewinnen.
Doch das karibische Flair und die Romanze mit Chenault verträgt sich überhaupt nicht mit Kemps beruflichen Ambitionen, die er zunehmend im Rum-Koma baden gehen lässt …
Wer mit „The Rum Diary“ einen ähnlich visuell berauschenden Trip erwartet wie Gilliams Meisterwerk „Fear and Loathing in Las Vegas“ wird schnell eines Besseren belehrt. Zwar eröffnet Johnny Depp seinen Part pflichtschuldigst mit Kater und geröteten Augen, doch über ein paar ausschweifende Alkoholexzesse hinaus gibt es bei „The Rum Diary“ wenig zu sehen. Was bei Gilliams Hommage an den legendären Autor noch treibende Kraft für allerlei visuelle Spielereien gewesen ist, präsentiert sich bei Bruce Robinson („Jennifer 8“) eher konventionell und gänzlich unspektakulär. So wartet der Film zwar mit tollen Darstellerleistungen vor exotischer Kulisse auf – neben dem großartigen Johnny Depp gefallen vor allem Richard Jenkins („Ein Sommer in New York“, „Six Feet Under“) als desillusionierter Chefredakteur, Amber Heard („The Informers“, „The Ward“) als verführerische Femme fatale und Aaron Eckhart („The Dark Knight“, „Thank You For Smoking“) als karrieregeiler Unternehmer -, doch die Story bietet für knappe zwei Stunden Spielzeit eigentlich zu wenig, um daraus ein packendes Filmerlebnis zu machen, das der kauzigen Kultfigur des amerikanischen Journalismus gerecht werden würde.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen