Die Karte meiner Träume

Seit seinem Erscheinen im Jahr 2009 hat sich Reif Larsens Romandebüt „Die Karte meiner Träume“ zu einem internationalen Bestseller entwickelt, der vor allem wegen seiner liebevollen Illustrationen und skurrilen Randnotizen seines jungen Ich-Erzählers ein echtes Stück Buchkunst darstellt. Abgesehen von Tim Burton konnte es eigentlich nur einen geben, der den fantastischen Railroad-Trip eines zehnjährigen Hochbegabten für die Leinwand adaptiert: „Die fabelhafte Welt der Amelie“-Regisseur Jean-Pierre Jeunet! Mit der ihm eigenen Bildsprache schuf er ein wundervolles Märchen, das die Kraft der kindlichen Fantasie feiert.
Das Interesse an der Wissenschaft hat der zehnjährige T.S. Spivet (Kyle Catlett) von seiner Mutter Dr. Clair (Helena Bonham Carter) geerbt, die es sich als Biologin zur Aufgabe gemacht hat, einen nicht weiter erforschten Käfer zu finden, und im Haushalt vor allem dadurch auffällt, dass sie regelmäßig die Toaster zum Überhitzen bringt. Spivet Juniors Vater Tecumseh Elijah (Callum Keith Rennie) bewirtschaftet die bei den Pioneer Mountains liegende Ranch im Nirgendwo von Montana und hat weder mit seiner Frau noch mit seinem Sohn viel gemeinsam. Das ungewöhnliche Familienidyll wird nur durch den tragischen Unfalltod von Spivet Juniors Bruder Layton überschattet.
Überraschend gewinnt T.S. für seine Erfindung eines neuartigen Perpetuum Mobiles den renommierten Baird Award des legendären Smithsonian Instituts in Washington und wird von dessen Kuratorin G.H. Jibsen (Judy Davis) für einen Vortrag eingeladen – natürlich nicht ahnend, dass es sich bei dem Preisträger um einen kleinen Jungen handelt. T.S. belässt die überdrehte Kuratorin in ihrem Glauben und springt frühmorgens allein auf einen vorbeifahrenden Güterzug auf, um nach Washington zu gelangen …
Jean-Pierre Jeunet („Die Stadt der verlorenen Kinder“, „Alien Resurrection“) ist es mit seiner Verfilmung des Bestsellers „Die Karte meiner Träume“ gelungen, die Längen des epischen, mit Rückblicken versehenen Coming-of-Age-Romans auf den jungen Protagonisten und seine Reise zu fokussieren und trotzdem dem Charme der literarischen Vorlage gerecht zu werden. Während in dem Roman T.S. Spivet vor allem als Zeichner von Karten glänzt, die auf einzigartige Weise das Werk illustrieren, tritt er in der Verfilmung vor allem als Erfinder in Erscheinung, während seine Beziehung zu seiner Familie, die im Roman viel Raum einnimmt und auch für einige Längen sorgt, aufs Nötigste komprimiert worden ist. Das führt leider dazu, dass Helena Bonham Carter („The King’s Speech“, „Cinderella“) und Callum Keith Rennie („Fifty Shades Of Grey“, „Memento“) in ihren Rollen als Eltern des Wunderkindes kaum glänzen können. Einzig dem verstorbenen Bruder wird zumindest in einer längeren, sehr bewegenden Szene etwas mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Kyle Catlett füllt seine Rolle als ideenreicher und abenteuerlustiger Jung-Wissenschaftler aber großartig aus und trägt den Film nahezu allein auf seinen winzigen Schultern. Unterstützt wird er dabei vor allem von der farbenfrohen Inszenierung des Franzosen, dessen Bildsprache wunderbare Retro-Effekte aufweist und den Zuschauer damit spielend in ein magisches Leinwanduniversum zu entführen versteht, das geschickt ernste Themen und humorvolle Betrachtungen miteinander verknüpft.
"Die Karte meiner Träume" in der IMDb

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