Die Tribute von Panem - Mockingjay: Teil 1

Nach den milliardenschweren Fantasy-Franchises „Herr der Ringe“, „Harry Potter“ und „Twilight“ hat sich bereits nach der ersten Verfilmung aus der „Tribute von Panem“-Trilogie von Suzanne Collins abgezeichnet, dass hier ganz großes Kino entsteht, das trotz seines dystopischen Charakters erschreckend nah an der Realität angesiedelt ist. Dass Lionsgate bei der Umsetzung des Finales zwei Filme produziert, mag zwar natürlich der Gewinnmaximierung in Hollywood geschuldet sein, doch hat man bei dem zweistündigen „Die Tribute von Panem – Mockingjay: Teil 1“ nie das Gefühl, dass der Film der ungewöhnlich komplexen literarischen Vorlage nicht gerecht wird. Stattdessen wächst Oscar-Preisträgerin Jennifer Lawrence („Silver Linings“, „Winter‘s Bone“) einmal mehr über sich heraus und ist der großartige Philip Seymour Hoffman („A Most Wanted Man“) in einer seiner letzten großen Rolle zu sehen.
Nach der vollständigen Zerstörung von Distrikt 12 befindet sich Katniss (Jennifer Lawrence) zwar bei den Rebellen in Distrikt 13 in Sicherheit, doch machen ihr die Ereignisse, in deren Verlauf ihr Hungerspiele-Partner Peeta (Josh Hutcherson) und die anderen Wettkampfsieger nicht gerettet werden konnte, noch immer schwer zu schaffen. Doch Zeit zum Ausruhen bleibt nicht wirklich. Die Präsidentin Alma Coin (Julianne Moore) und ihr Marketing-Chef Plutarch Heavensbee (Philip Seymour Hoffman) setzen alles daran, die verbliebenen Distrikte gegen das Kapitol zu vereinen und zu diesem Zweck Propaganda-Videos gegen Präsident Snow (Donald Sutherland) mit Katniss zu drehen. Da Katniss in einer sterilen Studioatmosphäre und auswendig gelerntem Text aber nicht überzeugend rüberkommt, begibt sich Katniss mit ihrem Freund Gale Hawthorne (Liam Hemsworth) in einen ebenfalls zerbombten Distrikt, wo sie von den Verletzten in einem Krankenhaus mit dem Spotttölpel-Gruß dazu eingeladen wird, an der Seite der Rebellen zu kämpfen.
Snow lässt sich diese Provokation nicht lange gefallen und schickt ein Bombengeschwader, das Krankenhaus in Schutt und Asche zu legen. Derweil ruft Peeta in einer Sondersendung des Regierungsfernsehens Katniss dazu auf, die Waffen niederzulegen, wollen die Rebellen keinen Militärschlag des Kapitols riskieren …
Es ist schon erstaunlich, wie sehr sich die „Tribute von Panem“-Reihe im Verlauf der drei Verfilmungen durch Gary Ross und Francis Lawrence („I Am Legend“, „Wasser für die Elefanten“) entwickelt hat. Standen in „The Hunger Games“ noch die Wettkämpfe im Vordergrund, die die faschistische Regierung inszeniert hat, um das Volk bei Laune zu halten, hagelte es in „Catching Fire“ schon deutlich mehr Gesellschaftskritik, bot dabei aber noch einen ansehnlichen Action-Anteil. Auf diese Komponente verzichtet Lawrence in „Mockingjay – Teil 1“ weitgehend. Stattdessen konzentriert er sich auf die Frage, inwieweit Gewalt gerechtfertigt ist. Wie sehr dieses moralische Dilemma gerade Katniss zermürbt, wird von der ersten Szene, als sie leise murmelnd aus ihrem Versteck gezerrt werden muss, bis zum herausragenden, emotionalen Finale deutlich. Letztlich siegt ihre Wut über das faschistische Kapitol aber über ihre Bedenken, sich der Rebellion anzuschließen, doch dieser Pakt wird mit Blut und Tränen besiegelt.
Jennifer Lawrence liefert in „Mockingjay – Teil 1“ ihre wohl eindringlichste Performance als Katniss Everdeen ab, wobei sie das breite emotionale Spektrum von alptraumgeschüttelter Verletzlichkeit über ichvergessener Fürsorge bis zu kampflustiger Wut gleichermaßen überzeugend abzubilden versteht. Auch wenn „Mockingjay – Teil 1“ ganz auf ihre Figur zugeschnitten ist, bleibt auch den Nebenfiguren genügend Raum zur Entfaltung. So überzeugt vor allem der vergangenes Jahr verstorbene Philip Seymour Hoffman als Propganda-Berater mit einer gewohnt vielschichtigen Leistung, und auch Julianne Moore zeigt in ihren wenigen Szenen bei ihrem Start in das Franchise, dass sie einen Gewinn für die Filmreihe darstellt. Vor allem bringt aber Elizabeth Banks als Katniss‘ persönliche Beraterin Effie Trinket wieder unterhaltsamen Schwung in die sonst so finster-ernste Handlung.
„Mockingjay – Teil 1“ bietet weit mehr als einen langen Prolog auf das im November dieses Jahres stattfindende Finale, sondern macht vor allem deutlich, unter welchen psychischen Belastungen Katniss seit ihrer freiwilligen Teilnahme an den Hungerspielen zu leiden hat und wie sehr sich die Fronten zwischen dem Kapitol und den Rebellen verhärtet haben. Obwohl Lawrence und sein Kameramann Jo Willems („Hard Candy“, „Ohne Limit“) mit digitalen Kameras drehten, haben sie durch den ständigen Einsatz von Nebel für eine weiche und körnige Struktur des Filmmaterials gesorgt, was durch den gefühlvollen Score von James Newton Howard gerade in den Szenen verstärkt wird, in denen Katniss sich ihrer Einsamkeit schmerzlich bewusst wird.
Sehenswert ist übrigens auch das üppige Bonus-Material auf der separaten Disc der Fan-Edition, die Lionsgate/Studiocanal veröffentlicht haben. Neben unzähligen Featurettes, in denen Produzenten, Regisseur, Darsteller, auf der musikalischen Seite Lorde und James Newton Howard sowie die Cutter und Special-Effects-Crew zu Wort kommen, wird auch Philip Seymour Hoffman gedacht, der seiner Biografie mit der „Tribute von Panem“-Reihe ein schillerndes Stück Filmgeschichte hinzugefügt hat.
"Die Tribute von Panem - Mockingjay: Teil 1" in der IMDb

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