Erschütternde Wahrheit

Bevor Peter Landesman mit dem JFK-Thriller-Drama „Parkland“ die große Kinobühne betreten hat, arbeitete der preisgekrönte Maler und Autor als investigativer Journalist für Zeitungen wie das „New York Time Magazine“. Insofern bleibt sich der New Yorker auch bei seinen Filmen der Maxime treu, die Hintergründe realer Begebenheiten zu beleuchten. In seinem neuen Film „Erschütternde Wahrheit“ nimmt er sich auffällige Todesfälle im amerikanischen Nationalsport Football vor und setzt seinen Star Will Smith („I Am Legend“, „Men In Black“) eindrucksvoll in Szene, doch sein Enthüllungsdrama dringt dabei selten unter die schick polierte Oberfläche.
Dr. Bennet Omalu (Will Smith) ist nicht nur ein äußerst gebildeter und auch als Gutachter bei Gericht gefragter Mann, der brillante Arzt ist auch für seine gewissenhafte Arbeit in der Pathologie von Pittsburgh bekannt, was seine Kollegen schon mal zur Weißglut treibt und seinem Vorgesetzten Dr. Cyril Wecht (Albert Brooks) das eine oder andere zusätzlich graue Haar beschert. Als der frühere Football-Star Mike Webster (David Morse) auf seinem Tisch landet, kann sich Omalu die geschilderten Symptome in der Krankheitsakte des Toten nicht erklären und gibt auf eigene Kosten eine lange Testreihe in Auftrag, die den gewissenhaften Arzt zur Diagnose kommen lässt, dass die Wucht der Schläge und Zusammenstöße, die Footballspieler in ihrer Karriere ausgesetzt sind, zu einer chronisch traumatischen Enzephalopathie (CTE) führen, die Depression, Aggression und andere Persönlichkeitsveränderungen hervorruft.
Nachdem Omalus Arbeit in einem medizinischen Fachmagazin veröffentlicht wird, horcht die NFL auf und tut unter Führung ihres Commissioners Roger Goodell (Luke Wilson) alles dafür, Omalus Erkenntnisse herunterzuspielen und den Arzt und sein Frau Prema (Gugu Mbatha-Raw) zu bedrohen. Doch als bei immer mehr Selbstmorden von ehemaligen Football-Profis CTE diagnostiziert wird, kann auch die NFL nicht mehr die Augen vor diesem Phänomen verschließen, dass ganze Familien zerstört …
Bereits in den ersten beiden Szenen gelingt es Drehbuchautor und Regisseur Peter Landesman, sein Publikum eindrucksvoll in die Thematik von „Erschütternde Wahrheit“ einzuführen. Auf der einen Seite sehen wir, wie das Pittsburgher Football-Idol Mike Webster seine Liebe zu seinem Sport preist, auf der anderen Seite zählt Dr. Bennet Omalu im Gerichtssaal locker-humorvoll seine zahlreichen Qualifikationen auf. Wenig später wird der Zuschauer mit den erschreckenden Symptomen konfrontiert, die Mike Webster zu einem anderen Menschen gemacht haben. Um seiner Familie keinen Schaden zuzufügen, haust er in seinem Auto und steht unter ständiger Selbstmedikation. Auch sein alter Mannschaftsarzt Dr. Julian Bailes (Alec Baldwin) ist ratlos und wird bald zu einem der weniger Unterstützern von Omalus wissenschaftlichem Kreuzzug, der sich allerdings nicht gegen den Sport selbst richtet.
Aber gerade an dieser Stelle verliert der Film seine dramatische Sprengkraft. Landesman will wie sein Protagonist keinen Krieg gegen die NFL führen und schon gar nicht den Wirtschafts- und Motivationsmotor Football einstampfen, sondern „nur“ auf die gesundheitlichen Risiken des Sports aufmerksam machen und zu einer Lösung des Problems beitragen. Doch die Auseinandersetzungen mit den Funktionären der NFL gestalten sich überraschend oberflächlich. Zwar genügen schon allein die wiederholten Szenen einer Reihe von schmerzhaften Zusammenstößen auf dem Spielfeld, um Omalus Erkenntnisse zu untermauern, doch letztlich hat Landesman überhaupt kein Interesse daran, den Mythos Football auch nur anzukratzen, wodurch die Dramatik, die der Film bei so einer explosiven Thematik ausstrahlen könnte, stark eingeschränkt wird.
Dass „Erschütternde Wahrheit“ dennoch gut zu unterhalten versteht, ist vor allem Will Smiths subtilem Spiel zu verdanken, aber auch Alec Baldwin als Arzt, der die Seiten von der NFL zur Omalu wechselt, oder Albert Brooks als Omalus verantwortungsbewusster, sympathischer Vorgesetzter machen eine gute Figur in einem Sportler- und Justiz-Drama, das angesichts des dramatischen Themas etwas zu edel und glatt fotografiert, aber hervorragend von „Parkland“-Komponist James Newton Howard musikalisch untermalt worden ist. 
"Erschütternde Wahrheit" in der IMDb

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