Twin Peaks - The Return

Vor über 25 Jahren schuf der außergewöhnliche, künstlerisch vielseitig begabte David Lynch mit „Twin Peaks“ eine der faszinierendsten Fernsehserien überhaupt und wirkte damit als Katalysator für all die vielschichtigen Serienformate, die dem Publikum heutzutage über die verschiedensten Kabelsender und Streaming-Dienste zur Verfügung stehen. Nachdem sich David Lynch („Eraserhead“, „Blue Velvet“) von der zweiten Staffel früh distanziert hat, ist es fast einem Wunder gleichzusetzen, dass sich der moderne Meister der surrealistischen Kunst mit seinem „Twin Peaks“-Partner Mark Frost doch noch einmal darangemacht hat, das Fernsehpublikum mit 18 neuen Folgen in einem „Limited Event Series“ ebenso zu verstören wie zu faszinieren.
Bereits mit den ersten vier, je als zweistündiges Double-Feature ausgestrahlten Folgen führen uns Mark Frost (der mit Lynch die Drehbücher zu allen Folgen von „The Return“ verfasst hat) und David Lynch (der bei allen Folgen auch die Regie übernahm) in die vertraute und doch stark veränderte Welt von „Twin Peaks“ ein.
Agent Dale Cooper (Kyle MacLachlan), der im Finale der zweiten Staffel vom bösen Geist BOB besessen wurde, der wiederum für den Mord an Laura Palmer (Sheryl Lee) verantwortlich gewesen war, begegnet in der geheimnisvollen Black Lodge nicht nur der sichtlich gealterten Laura (die ihm dabei etwas ins Ohr flüstert), sondern auch dem Einarmigen (Al Strobel) und Lauras Mörder, dem einst von BOB besessenen Leland Palmer (Ray Wise). Vor allem in den ersten Folgen der dritten Staffel spielt die mysteriöse Black Lodge eine zentrale Rolle und betont die surreale Atmosphäre der späten Finales der „Twin Peaks“-Geschichte.
Was einst mit dem brutalen Mord in dem an sich beschaulichen Städtchen Twin Peaks begann, entwickelt sich in der finalen Staffel zu einer vielschichtigen Story, die weit über die titelgebende Kleinstadt hinausgeht. Im Verlauf der 18 neuen Folgen begegnen uns fast alle wichtigen Figuren der ersten beiden Staffeln, die 1990 und 1991 ausgestrahlt worden sind: So unterhält Norma Jennings (Peggy Lipton) noch immer ihr RR-Diner mit dem köstlichen Kirschkuchen und dem verdammt guten Kaffee, Shelly (Mädchen Amick) arbeitet noch immer für sie und hat zwischenzeitlich ihren damaligen Freund Bobby Briggs (Dana Ashbrook) geheiratet und mit ihm eine Tochter – Rebecca (Amanda Seyfried) – gezeugt, die durch ihren drogensüchtigen Freund aber nur in Schwierigkeiten steckt. Dr. Jacoby (Russ Tamblyn) lebt mittlerweile in einem Wohnwagen im Wald, betreibt eine eigene Radioshow, veredelt Spaten mit Goldlackierung und wirbt im Fernsehen dafür, sich mit diesen Spaten aus der eigenen Scheiße zu befreien. Benjamin Horne (Richard Beymer) leitet nach wie vor das Great Northern Hotel, während sein verrückter Bruder Jerry (David Patrick Kelly) weiter in anderen Sphären unterwegs ist.
Die Log Lady (Catherine E. Coulson) gibt Hawk (Michael Horse) seltsame Hinweise auf seine eigene Vergangenheit, bevor er drei der vier verschwundenen Seiten aus Laura Palmers Tagebuch wiederfindet. Während Twin Peaks‘ Sheriff Harry S. Truman krankheitsbedingt eine Auszeit nimmt, leitet sein Bruder Frank (Robert Forster) das Büro des Sheriffs, in dem auch Lucy (Kimmy Robertson) und ihr Andy (Harry Goaz) das vertraute Ensemble abrunden.
Im Mittelpunkt der finalen „Twin Peaks“-Staffel steht aber nach wie vor Kyle MacLachlan, der gleich mehrere Rollen ausfüllt. Während er als Dale Cooper noch immer in der Black Lodge festhängt, ist er in der realen Welt als Versicherungs-Angestellter Dougie Jones unterwegs, der nach einem Autounfall wie im Wachkoma agiert, Stichworte seiner Gesprächspartner nur dumpf wiederholt und auch sonst zu keinen eigenständigen Handlungen mehr fähig ist, was seine Frau Janey-E (Naomi Watts) schon mal zur Verzweiflung treibt. Erst als er über 400.000 Dollar in einem Casino abräumt und den mafiosen Betreibern Bradley Mitchum (Jim Belushi) und seinem Bruder Rodney (Robert Knepper) eine 30-Millionen-Dollar-Entschädigung für ein Brandschaden zukommen lässt, bekommt die Ehe wieder ihren Schwung zurück. Und schließlich ist ein böser Cooper in eigener Mission unterwegs. Er stand einst mit Philip Jeffreys (David Bowies Rolle im Prequelfilm) in Verbindung und war wohl auch am Tod von Major Briggs (der mittlerweile verstorbene Don Davis) nicht unbeteiligt. Derweil rollen Die FBI-Agenten Gordon Cole (David Lynch) und Albert Rosenfield (Miguel Ferrer) den Twin Peaks-Fall wieder neu auf, als sie die Spur von Dale Cooper nach South Dakota folgen …
Während die ersten beiden „Twin Peaks“-Staffeln noch als düstere und surreale Variante beliebter Telenovelas beschrieben wurden, haben Mark Frost und vor allem David Lynch mit der dritten und wohl letzten „Twin Peaks“-Staffel ein Gesamtkunstwerk geschaffen, das sich zwar durchaus auf die vorangegangenen Ereignisse in Twin Peaks vor 25 Jahren bezieht, sich vor allem aber in das filmische und musikalische Schaffen von David Lynch einreiht. Lynch-Fans werden hier etliche Verweise beispielsweise zu „Lost Highway“, „Wild at Heart“ oder „Inland Empire“ finden. Visuell berauschend ist die achte Folge gelungen, in der Lynch eine düstere Variation von Terrence Malicks Schöpfungsgeschichte in „The Tree Of Life“ präsentiert und die Entstehung des Bösen und somit die Geburt von BOB als Ergebnis einer atomaren Explosion beschreibt.
Geblieben sind darüber hinaus auch Lynchs außergewöhnlicher Humor und sein Faible für die musikalische Untermalung. Acts wie Nine Inch Nails, Chromatics oder Au Revoir Simone dürfen ganze Songs im Road House spielen, während Angelo Badalamenti fast nur mit seinem berühmten Titelthema zu hören ist. Stars wie Monica Belucci, Tom Sizemore, Tim Roth, John Savage, Richard Chamberlain und David Duchovny geben sich für Kleinstauftritte die Klinke in die Hand.
Zum Ende hin verdichten sich endlich all die losen Erzählstränge zu einem großen Ganzen, das natürlich Lynch-typisch nicht vollständig aufgeklärt wird.
Fans der alten „Twin Peaks“-Staffeln, die mit Lynchs Filmen allerdings wenig anfangen können (falls es das geben sollte), werden vielleicht mit der dritten Staffel nicht richtig warm, während Lynch-Kenner und -Freunde auf der anderen Seite ein stellenweise brutales, immer wieder mysteriöses, durch David Lynchs selbst arrangiertes Sound Design verstärkt beunruhigendes und ausgefallen humorvolles Serien-Ereignis erleben dürfen, das lange nachwirkt. 
"Twin Peaks - A Limited Event Series"

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