Die Rechnung ging nicht auf

Mit 26 Jahren stand Stanley Kubrick 1955 noch ganz am Anfang seiner Filmkarriere, konnte nach seinem noch als Studentenfilm klassifizierten Debüt „Furcht und Begierde“ (1953) aber schon sein zweites Werk „Der Tiger von New York“ (1955) nicht ganz kostendeckend für 75.000 Dollar an United Artists verkaufen. Indem er dann den gleichaltrigen Produzenten James B. Harris und den von ihm geschätzten Hardboiled-Autoren Jim Thompson kennenlernte, begannen sich für Kubrick neue Wege zu erschließen. Sein dritter Film „Die Rechnung ging nicht auf“ (1956) konnte bereits mit einem Budget von knapp über 300.000 Dollar und namhaften Film-noir-Darstellern wie Sterling Hayden („Asphalt-Dschungel“, „Am Strand der Sünde“), Elisha Cook Jr. („Die Spur des Falken“, „Tote schlafen fest“) und Marie Windsor („Die Macht des Bösen“, „Um Haaresbreite“) realisiert werden und brachte den Durchbruch für Stanley Kubrick in Hollywood. 

Inhalt: 

Kaum hat Johnny Clay (Sterling Hayden) seine fünfjährige Haftstrafe abgesessen, plant er auch schon den nächsten Coup, der so viel Geld abwerfen soll, dass er sich mit seiner Freundin Fay (Coleen Gray) zur Ruhe setzen kann. Für den Überfall auf eine Pferderennbahn in San Francisco heuert er seine ebenfalls glücklosen, teilweise in handfesten Schwierigkeiten steckenden Freunde und zwei externe Spezialisten an. George Peatty (Elisha Cook Jr.) bringt als Kassierer im Pferdewettenbüro nicht das Geld nach Hause, um seine gefühlskalte Frau Sherry (Marie Windsor) zufrieden zu stellen. 
Der ebenfalls an der Rennbahn arbeitende Barkeeper Mike O'Reilly (Joe Sawyer) muss seine schwer erkrankte und bettlägerige Frau versorgen, während der korrupte Cop Randy Kennan (Ted de Corsia) über seine Verhältnisse lebt und bei einem Kredithai in der Kreide steht. Johnnys ausgeklügelter Plan beginnt aber schon zu bröckeln, als der eifersüchtige George seiner Frau von dem bevorstehenden Coup und dem daraus resultierenden Reichtum erzählt. George hofft, seine Frau durch diese Ankündigung seine wieder auf seine Seite ziehen zu können, doch Sherry hofft eher, mit ihrem jungen Liebhaber Val Cannon (Vince Edwards) ein neues Leben beginnen zu können. Val schmiedet nun seinerseits mit Sherrys Hilfe einen Plan, an das Geld aus dem Coup zu kommen. 
Der Überfall verläuft zunächst wie geplant. Der angeheuerte Catcher Maurice Oboukhoff (Kola Kwarain) und der Scharfschütze Nikki Arcane (Timothy Carey) stiften des Überfalls Verwirrung und lenken die Polizei vor Ort ab, Johnny kann mit einem Seesack voller Geldscheine nahezu unbehelligt fliehen, doch am vereinbarten Treffpunkt lauert Val mit einem Komplizen der Bande bereits auf … 

Kritik: 

Nachdem Stanley Kubrick seine vorangegangenen beiden Filme nach eigenen Drehbüchern realisiert hatte, nahm er sich diesmal der Romanvorlage „Clean Break“ des Groschenheftautors Lionel White an und ließ sich bei den Dialogen von Pulp-Autor Jim Thompson („The Getaway“, „After Dark, My Sweet“) helfen. Dabei ist wie schon bei „Der Tiger von New York“ die Geschichte nicht besonders originell ausgefallen und fällt in das klassische Muster eines Heist Movies. Viel interessanter ist die Art und Weise, wie Kubrick das erfolglose Aufbegehren seiner glücklosen Protagonisten inszeniert, die letztlich nie die Chance bekommen, etwas aus ihrem Leben zu machen. Es sind zwar nur Kleinigkeiten und scheinbare Zufälle, die für alle Beteiligten das Kartenhaus vom großen Glück einstürzen lassen, aber der düstere Grundton von „Die Rechnung ging nicht auf“ macht von vornherein klar, dass der Überfall auf die Kasse der Pferderennbahn nicht der richtige Weg ist, die verschiedenen Pechsträhnen versiegen zu lassen. In Erinnerung bleibt der Film vor allem wegen seiner meisterhaft inszenierten nicht-linearen Erzählweise. 
Kubrick lässt die verschiedenen, minutiös geplanten Aktionen des Überfalls jeweils aus den verschiedenen Perspektiven der Beteiligten erzählen, setzt immer wieder die subjektive Kamera ein, um den Zuschauer direkt ins Geschehen einzubeziehen. Die raffinierten Schnitte und die Wechsel zwischen den Zeitebenen erzeugen so eine fiebrige Spannung, die später Filmemacher wie Quentin Tarantino („Reservoir Dogs“, „Pulp Fiction“) und Christopher Nolan („Memento“, „Inception“) inspirieren sollte. Zusammen mit der gekonnten Kameraarbeit von Lucien Ballard („Die Nacht gehört uns“, „Ein Kuss vor dem Tode“), den großartigen Darstellerleistungen, der treibenden Musik von Gerald Fried und Kubricks gereiften Fertigkeiten als Regisseur präsentiert sich „Die Rechnung ging nicht auf“ als packendes Heist Movie mit deutlichen Film-noir-Zügen.  

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