Der Pianist

Roman Polanski hat bereits in mehreren Genres Meisterwerke abgeliefert, sei es die Grusel-Parodie „Tanz der Vampire“ (1967), den Horror-Klassiker „Rosemaries Baby“ (1968), den Neo-Film-noir „Chinatown“ (1974) oder die Psychothriller „Frantic“ (1988) und „Der Tod und das Mädchen“ (1994). Aber erst mit dem biographischen Drama „Der Pianist“ (2002) arbeitete der 1933 in Paris geborene, 1936 mit seinen Eltern aber nach Polen zurückgekehrte Filmemacher seine eigene Kindheit während des Zweiten Weltkriegs auf. 

Inhalt:

Wladyslaw Szpilman (Adrien Brody) trägt als Pianist zum Lebensunterhalt seiner Familie bei, die 1939 miterleben muss, wie die deutschen Truppen nach Warschau einmarschieren, wo die SS beginnt, ein Ghetto für die polnischen Juden zu errichten. Die Mauern, die das Ghetto vom Rest der Stadt trennt, müssen die Juden selbst bauen. Während Wladyslaws Bruder Henryk (Ed Stoppard) bereits ahnt, dass die Internierung der Juden im Ghetto erst der Anfang eines viel größeren Grauens darstellt, hofft seine Schwester Halina (Jessica Kate Meyer), dass das Barvermögen der Familie vor den Nazis versteckt werden könnte. Schließlich wird Szpilmans Familie in einem der Güterzüge abtransportiert, die die Juden in die Vernichtungslager in Treblinka bringen sollen, er selbst wird durch die Hilfe eines wohlwollenden jüdischen Ordners vor dem Abtransport verschont, muss dafür aber unter strenger Bewachung Zwangsarbeit auf dem Bau außerhalb des Ghettos verrichten. 
Bei einem dieser Einsätze trifft er die Sängerin Dorota (Emilia Fox) wieder, die ihm später zusammen mit ihrem Mann die Flucht aus dem Ghetto ermöglicht und ihn in einer leer stehenden Wohnung unterbringt, wo er sich aber vor den Nazis versteckt halten muss. Zwar sind die Russen schon im Anmarsch, um die polnische Bevölkerung von der deutschen Besatzungsmacht zu befreien, doch bis dahin verbringt der Pianist einsame Stunden in Hunger und Krankheit … 

Kritik: 

Als Polanski Ende der 1990er Jahre die Autobiographie von Wladyslaw Szpilman in die Hände bekam, war der Filmemacher ganz und gar von dessen unheroischen Geschichte des Pianisten angetan, der seine gesamte Familie während des Zweiten Weltkriegs verlor und selbst allein durch glückliche Umstände und die Tatsache überlebte, dass er die Menschen, auch deutsche Offiziere mit seiner Musik zu berühren verstand. Zusammen mit dem Theaterautor Ronald Harwood, der für das Drehbuch verantwortlich zeichnete, entwickelte Polanski improvisierte Dialoge und einen Plot, der die Schrecken der Nazi-Herrschaft ohne stilisierte dramatische Effekte in ebenso kühle wie bewegende Bilder einfing. Es genügen wenige Szenen zur Einführung des Alltags, den die Szpilmans in Warschau erleben. Wladyslaw Szpilman ist ein bekannter polnisch-jüdischer Pianist, der bei einer Einspielung beim Radiosender von einem Luftangriff der Deutschen überrascht wird. Später sitzt die gesamte Familie vor dem Radio, um zu hören, dass die Briten den Deutschen den Krieg erklärt haben. Noch glauben sie, dass der Spuk bald vorbei sein wird, doch das von der SS so rasant eingerichtete Ghetto, die Einteilung der Zwangsarbeiter, der Hunger und die Erniedrigungen belehren sie schnell eines Besseren. 
Polanski schildert diese Schrecken mit fast dokumentarischer Nüchternheit und macht den Zuschauer zum Zeugen der grauenhaften Verbrechen. Dazu zählt der überfallartige Besuch der Gestapo bei einer Familie, die den Szpilmans genau gegenüber wohnt. Das im Rollstuhl sitzende Familienoberhaupt wird von zwei deutschen Soldaten samt Fortbewegungsmittel über den Balkon einfach auf die Straße gestoßen. Immer wieder werden scheinbar wahllos Juden von deutschen Offizieren auf offener Straße mit einem Pistolenschuss hingerichtet. 
Bei der Schilderung dieser Szenen grausamer Menschenverachtung benötigt Polanski keine dramatischen Überhöhungen. Er verzichtet weitgehend auf musikalische Untermalung und spannungserzeugende Techniken. Die sorgfältige Farbdramaturgie und die nüchterne Erzählung reichen völlig aus, um beim Publikum ein Gefühl des tauben Entsetzens hervorzurufen. Aber auch die Befreiung der – wenigen - Juden und die Inhaftierung der deutschen Soldaten inszeniert Polanski mit unprätentiösen Bildern. Es sind die kleinen Szenen, die „Der Pianist“ zu einem großen Film machen, etwa wenn Szpilmans Vater vor dem Abtransport der Familie noch ein Bonbon kauft, es sorgfältig in sechs Teile schneidet und diese unter seiner Familie verteilt, oder wenn Szpilmans Versteck durch den Gestapo-Offizier Wilm Hosenfeld (Thomas Kretschmann) enttarnt wird, doch ist es erneut Szpilmans Geschick am Piano, das ihn am Leben erhält. 
Adrien Brody („The Village“, „Grand Budapest Hotel“), der für seine Rolle im Alter von 29 Jahren der jüngste Hauptdarsteller war, der mit einem Oscar ausgezeichnet wurde, brilliert durch seine unaufdringliche Darstellung, die das Leid, die Melancholie und Hoffnung seiner Figur jederzeit nachfühlbar macht. Außerdem wurde „Der Pianist“ für das Beste Drehbuch und die Beste Regie mit einem Oscar ausgezeichnet.  

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