Hugo Cabret

Produzent Graham King arbeitete mit Regisseur Martin Scorsese schon erfolgreich an „Gangs of New York“, „Aviator“ und „The Departed“ zusammen, und als King mit Brian Selznicks Kinderbuch „Die Entdeckung des Hugo Cabret“ auf den passionierten Filmemacher zukam, musste Scorsese nicht lange überlegen, denn die Geschichte über den zwölfjährigen Vollwaisen Hugo Cabret und den Filmpionier Georges Méliès berührte ihn aus persönlichen Gründen sehr stark. So schuf er zusammen mit langjährigen Weggefährten wie Kameramann Robert Richardson, Produktionsdesigner Dante Ferretti, Cutterin Thelma Schoonmaker und Komponist Howard Shore nicht nur sein erstes 3D-Abenteuer, sondern auch eine wunderbare Hommage ans Kino. 

Inhalt:

Paris im Jahr 1931. Durch seinen Vater (Jude Law), der als gelernter Uhrmacher in einem Museum arbeitet, lernt der zwölfjährige Hugo Cabret (Asa Butterfield) nicht nur die Leidenschaft für die Mechanik, sondern auch für das Kino kennen. Kurz nachdem sein Vater eine mechanische Figur vom Dachboden des Museums nach Hause gebracht hat, um sie zusammen mit Hugo zu reparieren, kommt Hugos Vater bei einem Brand im Museum ums Leben, worauf der Junge bei seinem alkoholsüchtigen Onkel Claude (Ray Winstone) in dessen Dachgeschosswohnung im Pariser Bahnhof Montparnasse unterkommt, wo Claude für das Aufziehen und die Wartung der Bahnhofsuhren zuständig ist. Claude macht den Jungen mit der labyrinthischen Welt des Bahnhofs und den notwendigen Arbeiten vertraut, bis er eines Tages spurlos verschwindet und Monate später seine Leiche tot aus der Seine geborgen wird. Hugo, dessen Onkel ihm den Besuch der Schule untersagt hat, übernimmt unterdessen unbemerkt die Arbeiten seines Onkels, muss sich seinen Lebensunterhalt aber mit kleinen Diebstählen in den Bahnhofsgeschäften verdienen, wobei er sich vor allem vor dem hinkenden Bahnhofsvorsteher Gustave Dasté (Sacha Baron Cohen) und seinem Dobermann in Acht nehmen muss, der elternlose Kinder sofort dem Waisenhaus übergibt. 
Erwischt wird Hugo allerdings von dem Besitzer eines Spielzeugladens (Ben Kingsley), wo er Material für die Reparatur des mechanischen Menschen mitgehen ließ. Als der Ladenbesitzer Hugo seine Taschen ausleeren lässt, kommt neben den gestohlenen Sachen auch ein Notizbuch zum Vorschein, das der Mann mit einer Mischung aus Staunen und Entsetzen durchblättert und dann an sich nimmt. Hugo, der nun in dem Spielzeuggeschäft aushelfen muss, ist erschüttert, denn nur mit Hilfe der Skizzen in dem Notizbuch glaubt Hugo die mechanische Puppe reparieren zu können, von der er glaubt, dass sie ihm eine Botschaft seines verstorbenen Vaters übermitteln wird. Um das Notizbuch zurückzubekommen, verfolgt er dem Ladenbesitzer bis nach Hause und nimmt dort Kontakt zu dessen Patenkind Isabelle (Chloë Grace Moretz) auf. Hugo nimmt das gleichaltrige Mädchen mit ins Kino, was ihr der Patenonkel stets verboten hat, und entdeckt an ihrem Hals eine Kette mit genau dem herzförmigen Schlüssel, den Hugo zum Aufziehen seiner mechanischen Figur braucht. Verwundert über die Frage, warum gerade Isabelle den Schlüssel zur Puppe besitzt, setzen die beide Kinder die Figur in Gang und beobachten erstaunt, wie die Figur eine Zeichnung aus dem Film „Die Reise zum Mond“ anfertigt und mit Georges Méliès, dem Namen von Isabelles Paten, unterschreibt. Hugo erkennt in dem Bild eine Szene, wie sie sein Vater beschrieben hat, als dieser das erste Mal ins Kino gegangen war und dann seinem Sohn davon erzählte. Nun setzen Hugo und Isabelle alles daran, die Verbindung zwischen Hugos Vater, des Automatenmenschen und Isabelles Paten herauszufinden … 

Kritik: 

Martin Scorsese ist vor allem für seine Gangsterepen „GoodFellas“, „Casino“ und „Gangs of New York“ bekannt, hat innerhalb seiner vierzigjährigen Hollywood-Karriere auch so unterschiedliche Filme wie das Kostümdrama „Zeit der Unschuld“, die religiösen Biopics „Die letzte Passion Christi“ und „Kundun“, das Boxerdrama „Wie ein wilder Stier“ oder das Thriller-Remake von „Kap der Angst“ realisierte. Mit „Hugo Cabret“ kehrt Scorsese in die fabelhafte Welt des kindlichen Staunens zurück. Er selbst hatte 1956 Méliès‘ „Die Reise zum Mond“ als Vorfilm von „In achtzig Tagen um die Welt“ gesehen und später im Greenwich Village immer wieder Filme des französischen Filmpioniers gesehen, der bis 1922 über 500 (!) Filme realisiert hatte. Außerdem wurde der 1947 geborene Scorsese 1999 noch einmal Vater einer Tochter, die zur Zeit der Produktion von „Hugo Cabret“ genau in dem Alter seiner jungen Filmprotagonisten gewesen ist. 
„Hugo Cabret“ fesselt zunächst vor allem durch die grandiosen Kulissen, die Dante Ferretti in den Londoner Shepperton Studios entstehen ließ, und die märchenhafte Kameraarbeit von Robert Richardson („Kill Bill“, „Casino“, „Schnee, der auf Zedern fällt“), so dass die Geschichte des Vollwaisen Hugo einige Zeit braucht, um das Publikum in den Bann zu schlagen. Das Schicksal des Jungen und der mechanischen Puppe wird kurz in Rückblenden aufgerollt, bis über die Reparatur der Figur immer mehr die Geschichte des mysteriösen Spielzeugladen-Besitzers Georges Méliès aufgerollt wird. Hier spielt „Hugo Cabret“ schließlich seine Stärken aus, wenn beispielsweise erzählt wird, wie Méliès zunächst als Magier vor großem Publikum im eigenen Theater gewesen ist, dann eine Vorstellung der Lumière-Brüder besuchte und fortan selbst Filme drehen wollte, um dann sein eigenes Filmstudio zu bauen und fortan mit seiner Frau Jeanne (Helen McCrory) und unzähligen Statisten und Schauspielern eine unzählige Menge an märchenhaften Filmabenteuern inszenierte, bis durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs das Interesse an seinen Filmen verloren ging und Méliès mit seiner Vergangenheit als Filmemacher abschloss. 
Es ist dieser respekt- und liebevolle Umgang mit den Ursprüngen des Kinos, der „Hugo Cabret“ jenseits eines Films für Kinder einen Film für Cinephile macht. Die liebevoll gestaltete Atmosphäre, die das Paris der 1930er Jahre auferstehen lässt, die packenden Bilder, der französisch geprägte Score von Howard Shore, der gewohnt brillante Schnitt von Thelma Schoonmaker und die durchweg wunderbaren Darstellerleistungen machen „Hugo Cabret“ zu einem Meisterwerk, das sich finanziell zwar zu einem Flop entwickelte und das Verhältnis zwischen Scorsese und Produzent Graham King nachhaltig belastete, dafür aber mit fünf Oscars für Kamera, Szenenbild, Tonschnitt, Tonmischung und visuelle Effekte ausgezeichnet wurde (nominiert war der Film zudem in den Kategorien Beste Regie, Bester Film, Bestes adaptiertes Drehbuch, Bestes Kostümdesign, Bester Schnitt und Beste Filmmusik). 

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