Katzelmacher

Mit seinem durchaus von Kritik und Publikum gemischt aufgenommenen, von der französischen Nouvelle Vague und dem amerikanischen Film noir inspirierten Langfilmregiedebüt „Liebe ist kälter als der Tod“ (1969) hat der deutsche Autorenfilmer Rainer Werner Fassbinder bereits angedeutet, dass er das Zeug zu einem der interessantesten neuen Stimmen in der deutschen Filmszene haben könnte. Diese Vermutung findet sich bereits in seinem zweiten, ebenfalls 1969 realisierten Drama „Katzelmacher“ bestätigt, das auf seinem gleichnamigen Theaterstück aus dem Jahr 1968 basiert und dessen Titel auf die abschätzige Bezeichnung für südeuropäische Musikanten, fahrende Händler und in den 60er Jahren auch für Gastarbeiter verweist.

Inhalt:

In ihrem Münchener Vorstadtviertel vertreibt sich eine kleine Gruppe junger Erwachsener, unter ihnen Erich (Hans Hirschmüller), Marie (Hanna Schygulla), Gunda (Doris Mattes), Helga (Lilith Ungerer) und Paul (Rudolf Waldemar Brem), die Zeit mit Kartenspielen, gemeinsamem Herumhängen auf der Straße oder wechselnden Affären, um die allgegenwärtige Langeweile zu vertreiben. Die Männer träumen davon, einen großen Coup zu landen und mit dem erbeuteten Geld ein sorgenfreies Leben zu führen, die Frauen von der großen Liebe, denn die Beziehungen zwischen den Männern und Frauen hier sind alles andere als romantischer Natur. Marie ist anfangs noch mit Erich liiert, Paul mit Helga, und Peter (Peter Moland) mit Elisabeth (Irm Hermann). Rosy (Elga Sorbas) träumt von einer Karriere als Schauspielerin und verdient sich ihren Lebensunterhalt, indem sie gegen Bezahlung (20 DM) mit Franz (Harry Baer) schläft, aber manchmal auch mit Peter, während Gunda darunter leidet, von den anderen gehänselt zu werden, dass sie noch keinen abgekriegt hat, und deshalb behauptet, ihr Freund sei auf „Montage“. Der homosexuelle Klaus (Hannes Gromball) bekommt ab und zu Besuch von Paul, um mit ihm ein geheimes Verhältnis zu haben.
Ihre gemeinsame Routine erfährt einen Einbruch mit der Ankunft des griechischen Gastarbeiters Jorgos (Rainer Werner Fassbinder), der bei der ohnehin verhassten Elisabeth (Irm Hermann) zur Untermiete wohnt. Als sich die ersten Gerüchte über die angeblich fehlende Moral des Fremden verbreiten, der von Gunda schließlich der Vergewaltigung beschuldigt wird, beschließen Paul, Erich und die anderen Männer etwas gegen den „Fremdling“ zu tun…

Kritik:

Durch das umfangreiche Oeuvre von Rainer Werner Fassbinder zieht sich die Auseinandersetzung mit den Befindlichkeiten in der Bundesrepublik Deutschland wie ein roter Faden, vor allem mit kritischen Beobachtungen zum Umgang in der Gesellschaft miteinander. Wie schon in seinem ebenfalls in Schwarzweiß gedrehten Erstling mit dem programmatischen Titel „Liebe ist kälter als der Tod“ herrscht auch in „Katzelmacher“ ein pessimistischer, düsterer Grundton vor. 
Die Gefühlskälte, die innere Leere der träge dahintreibenden Protagonisten spiegelt sich in den tristen Kulissen der Schlafzimmer, Gaststätten und Wohnblocks wider. Liebe stellt sich als ein Spiel der Gelegenheiten dar, die erkauft werden müssen. Die einen brüsten sich damit, sich das leisten zu können, weil sie arbeiten, die anderen finanzieren sich damit ihren Traum vom Glück. Doch die Träume von Liebe und Wohlstand drohen an der harten Realität zu zerbrechen. Die Gruppe bezieht sich nur auf sich selbst, die anderen gibt es nur als Vorstellung neugieriger, neidischer Nachbarn, die nie zu sehen sind, aber die selbstreferentiellen Gespräche wirken so gestelzt und fremdartig, dass es kaum reale Menschen sind, die die Worte von sich geben, sondern nur Abziehbilder von Vorurteilen gegenüber allem, was ihre Routine zu stören droht, in diesem Fall in Gestalt des griechischen Gastarbeiters. Hier wird ein kleinbürgerliches Unwohlsein thematisiert, das bis heute tief in der deutschen Gesellschaft verankert zu sein scheint, wie der aktuell noch brennender diskutierte Umgang mit Migranten zeigt.
Fassbinder hat die zweite Produktion mit seinem antiteater-Ensemble mit zumeist statischer Kamera und unter Verwendung der besonderen Eigenheiten der bayrischen Sprache realisiert und eindringlich auf den Punkt gebracht, wie emotionale Kälte, extreme Selbstbezogenheit, Neid und Aggression das erschütternde Portrait einer desillusionierten Generation zeichnen.

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