Auch wenn Rainer Werner Fassbinder 1969 mit „Liebe
ist kälter als der Tod“ sein Kinodebüt als Regisseur inszenieren durfte,
blieb er weiterhin dem Theater und vor allem seinem antiteater-Ensemble treu.
Innerhalb von drei Jahren realisierte Fassbinder neun Spielfilme, unter
denen sich gleich vier Theaterverfilmungen befinden: Nach zwei eigenen Stücken („Katzelmacher“,
„Der amerikanische Soldat“) folgte ein Stück von Carlo Goldoni („Das
Kaffeehaus“) und schließlich Marieluise Fleißers „Pioniere in Ingolstadt“.
Inhalt:
Als ein Pionierbautrupp Station in Ingolstadt macht, um eine
Brücke zu errichten, bringt die Anwesenheit des Militärs Bewegung in das
idyllische Städtchen, vor allem unter der weiblichen Bevölkerung. Das
Dienstmädchen Berta (Hanna Schygulla) verliebt sich in den gemeinen
Soldaten Karl (Harry Baer), der jedoch überhaupt kein Interesse daran
hat, sich in irgendeiner Weise zu binden. Berta wiederum weist Fabian (Rudolf
Waldemar Brem), den Sohn ihres Dienstherrn (Walter Sedlmayr), ab,
der es als sein gutes Recht betrachtet, beim Personal erotische Erfahrungen zu
sammeln. Alma (Irm Hermann) rühmt sich damit, bei den Männern gut
anzukommen, doch als sie mit dem einfachen Pionier Max (Günther Kaufmann)
schläft, lässt er sie spüren, dass sie keineswegs was Besonderes sei. Frieda (Carla
Egerer) wiederum ist auf der Suche nach der großen Liebe und wird bitter
enttäuscht. Die Pioniere leiden unter der Knute des Feldwebels (Klaus
Löwitsch), der seine verklemmten Männlichkeitskomplexe abreagiert, indem er
seine Untergebenen schindet und schleift…
Kritik:
Wie in vielen, gerade seinen frühen Filmen zeichnet auch „Pioniere
in Ingolstadt“ ein düsteres Bild der kleinbürgerlichen Engstirnigkeit, die
sich hier nur in dem Bemühen nach sexueller Bestätigung zu befreien versucht.
Während die Soldaten sich den befristeten Aufenthalt in der süddeutschen
Kleinstadt dadurch zu versüßen versuchen, indem sie mit den äußerst willigen
Mädchen dort anbandeln, sehnen sich die jungen Frauen nach Abenteuern und
Romantik, werden jedoch allesamt in ihren Träumen und Hoffnungen enttäuscht, weil
sie keine gleichwertige emotionale Bindung zu den Männern aufbauen können, während
sie sich untereinander neidisch beäugen. Fassbinder nutzt Fleißers
Vorlage einmal mehr dazu, das Unvermögen zu kommunizieren und die daraus
resultierende Einsamkeit zu thematisieren.
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