Der Drehbuchautor, Produzent und Romanautor Peter
Märthesheimer war nicht nur durch seine in Zusammenarbeit mit Wolfgang
Menge entstandenen Fernsehproduktionen „Das Millionenspiel“ und „Smog“
sowie die unkonventionelle Familienserie „Ein Herz und eine Seele“ bekannt,
sondern auch durch seine langjährige und sehr fruchtbare Kooperation mit dem
Autorenfilmer Rainer Werner Fassbinder. Das 1975 entstandene
Fernsehdrama „Angst vor der Angst“ war innerhalb von vier Jahren bereits
der fünfte Film von Fassbinder, den er für den WDR realisierte.
Inhalt:
Margot (Margit Carstensen) ist mit dem ambitionierten
wie gutmütigen und ruhigen Kurt (Ulrich Faulhaber) verheiratet, mit dem
sie die gemeinsame Tochter Bibi (Constanze Haas) aufzieht und der in
seiner Freizeit für eine weiterführende Prüfung büffelt. Ein Stockwerk über
ihrer Wohnung lebt Kurts Mutter (Brigitte Mira) zusammen mit Kurts
Schwester Lore (Irm Hermann) und deren Mann Karli (Armin Meier), so
dass die schwangere Margot sich darauf verlassen kann, ihre Tochter in die
Obhut ihrer Mutter zu geben, während Lore auch bei den Einkäufen an sie denkt. Doch
wirklich glücklich ist Margot nicht. Ihre morgendlichen Schwimmübungen absolviert
sie in ernster Hektik, ihr Blick verliert sich immer wieder im Spiegel und
verschwimmt vor den Objekten, die sie betrachtet. Als auch Kurt bemerkt, dass
etwas mit seiner Frau nicht stimmt, informiert er den auf der anderen
Straßenseite wohnenden Hausarzt Dr. Auer (Herbert Steinmetz), der sich
wenig beunruhigt zeigt und Margot Valium und Ruhe verordnet. Mit der einen pro
Tag verordneten Tablette kommt Margot nicht aus und wendet sich verzweifelt an
den Dr. Merck (Adrian Hoven), der zunächst auf die Notwendigkeit eines
Rezepts verweist, im Gespräch unter vier Augen in seinem Büro, in dem zufälligerweise
auch ein Bett steht, Margot zu verstehen gibt, wie sehr er sie bewundert und
dass es durchaus Möglichkeiten gäbe, ihr das Valium ohne Rezept zu geben. Margot
lässt sich – noch – nicht auf diesen Handel ein, wird aber immer wieder von ihrem
ebenfalls mit Medikamenten versorgten Nachbarn Herr Bauer (Kurt Raab)
angesprochen, dass sie doch jemanden bräuchte, mit dem sie reden könne. Außer
ihm scheint sich allerdings niemand für sie zu interessieren. In ihrer
Einsamkeit und Verzweiflung greift Margot zum Alkohol, schneidet sich in den
Arm, will den Schmerz fühlen. Mal diagnostizieren die Ärzte eine Schizophrenie,
dann eine mit Medikamenten gut in den Griff zu bekommende Depression, doch
selbst die Medikamente können Margots Ängste nicht lindern…
Kritik:
Nach Filmen wie „Warum läuft Herr R. Amok?“,
„Niklashauser Fart“, „Mutter Küsters’ Fahrt zum Himmel“ und „Faustrecht
der Freiheit“ befasst sich Fassbinder in der Fernsehproduktion „Angst
vor der Angst“ weniger mit gesellschaftlichen Missständen zu, sondern mit
der Mentalität ganz normaler Leute, die mit ihrem Alltag und den an sie
gestellten Erwartungen nicht zurechtkommen.
Als Vorlage diente dem Filmemacher die Erzählung „Langsame
Tage“ der damals 35-jährigen Hausfrau und Mutter Asta Scheib, die Fassbinders
Filme sehr schätzte und deren erste Vorlage für einen Film der Regisseur
fast nahtlos übernahm. Fassbinder beabsichtigte mit „Angst vor der
Angst“ die seiner Meinung nach omnipräsente Geisteskrankheit normaler
Menschen zu thematisieren. Interessant ist dabei, dass die Ursachen und Margots
Gefühle gar nicht tiefergehend analysiert werden, sondern nur ein diffus zum
Ausdruck gebrachtes Gefühl der Angst. Bedeutsamer ist die Art und Weise, wie
Margots soziales Umfeld auf ihren Gemütszustand reagiert. So bemüht sich ihr
Mann Kurt zwar um ärztliche Hilfe, versucht aber selbst nie, seine Frau zu
verstehen oder nachzufragen, wovor sie denn Angst habe, was in ihr vorgehe. Einzig
der ebenfalls psychisch auffällige Nachbar Herr Bauer scheint zu ahnen, was bei
Margot im Argen liegt, doch vermeidet sie diese Kontakte, während sie
andererseits nur anfangs leichte Hemmungen verspürt, sich vom Apotheker
ausnutzen zu lassen. Fassbinder verwendet ein fast kammerspielartiges
Setting, bleibt mit der Kamera dicht bei seiner Protagonistin, die er von einer
Krise in die nächste treibt.

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