Götter der Pest

Mit seinem Langfilmregiedebüt mit dem programmatischen Titel „Liebe ist kälter als der Tod“ (1969) hat der autodidaktische Filmemacher Rainer Werner Fassbinder bereits den Themenkomplex umrissen, der ihn auch in seinem weiteren Oeuvre beschäftigen wird, nämlich die Unmöglichkeit normaler Menschen, ein von äußeren Zwängen befreites Leben zu führen und eine in jeder Hinsicht erfüllte Liebe zu finden. Ähnlich wie in seinem Debüt verknüpft Fassbinder auch in seinem dritten Spielfilm „Götter der Pest“ (1969) die Biografie einfacher Menschen mit dem Plot einer simplen Krimigeschichte.

Inhalt:

Franz Walsch (Harry Baer) wird aus dem Gefängnis München-Stadelheim entlassen und geht mit seiner Lederjacke bekleidet, mit Schnurrbart und langen Koteletten in eine Kneipe, bestellt einen Kaffee und erkundigt sich telefonisch nach Johanna (Hanna Schygulla), die in einer Bar singt, von der er sie schließlich abholt und mit der er in ein Restaurant geht, um Leberkäs mit Ei zu essen. Am Nachbartisch sitzt die Margarethe (Margarethe von Trotta). Franz ist kein Mann der großen Worte.
Er sucht seine alten Kumpels, seinen Bruder Marian (Marian Seidowsky) und dessen Freundin Magdalena (Ingrid Caven), er mietet sich in einem Hotel unter dem Namen Franz Biberkopf ein, ohne seinen Pass vorzulegen, prellt die Zeche und türmt. Zum Glück nimmt Magdalena ihn mit zu sich.
Inzwischen ist die Polizei auf seiner Fährte. Der Kommissar (Yaak Karsunke) und der Polizist (Jan George) wollen an den Kopf einer Bande heran, den sogenannten „Gorilla“. Der Polizist will es über Johanna versuchen, an die er sich ranmacht. Währenddessen erfährt Franz von der Carla (Carla Egerer), die Pornoheftchen verkauft und immer informiert ist, wo der „Gorilla“ wohnen soll, aber in der angegebenen Wohnung liegt nur ein Toter – sein Bruder Marian.
Als Franz mit Margarethe unterwegs ist, trifft er auf seinen alten Kumpel Günther (Günther Kaufmann), und zu dritt fahren sie zu Joe (Micha Cochina) und verbringen einen Nachmittag auf dessen Bauernhof, wo ein nächster Überfall geplant wird…

Kritik:

Fassbinder siedelt seinen dritten Film im Münchener Kleingangstermilieu an, folgt dem wortkargen, ambitions- und emotionslosen Franz von der Entlassung aus dem Gefängnis über seine Rückkehr ins normale Leben. Das besteht für ihn vor allem darin, sich in der erotisch aufgeladenen Sympathie verschiedener Frauen zu bewegen. Johanna, die ihn so doll liebhat, wird allerdings zu anhänglich, so dass er sich mehr zu Margarethe hingezogen fühlt, was Johanna natürlich eifersüchtig macht und sie zu entsprechenden Handlungen hinreißen lässt, die dem Krimi-Plot eine tragische Wendung verleihen. Bereits in der Konstellation dieser Menage à trois wird deutlich, dass die Frauen die treibenden Kräfte in Franz‘ Leben sind, der sich eher treiben und sich sogar einfach von ihnen nackt ausziehen lässt, aber keine eigenen Ideen entwickelt, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Für ihn war es im Gefängnis eh nicht viel anders als draußen. Also lässt er sich mit seinem alten Kumpel Günther wieder auf einen Coup ein, der scheitern muss, weil er seine Freundin Johanna betrogen hat. Während die Männer also ihr Ding durchziehen – auf der richtigen oder falschen Seite des Gesetzes -, bleibt es den Frauen vorbehalten, mit ihren Gefühlen die in jeder Hinsicht schnörkellose Handlung voranzutreiben und das Schicksal der gefühlskalten Männer zu besiegeln. Darin gleicht „Götter der Pest“ Fassbinders Debüt, ebenso in den Anleihen an den amerikanischen und französischen Film noir.

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