In einem Jahr mit 13 Monden

Im umfangreichen Oeuvre von Rainer Werner Fassbinder sind so einige sehr persönliche Werke zu finden, die mit Themen hantieren, die Fassbinder stets am Herzen gelegen haben, vor allem die Verzweiflung über die seelischen Abgründe, die sich in der Bundesrepublik der 1970er Jahre aufgetan haben, die Auseinandersetzung mit dem Schicksal von Menschen am Rande der Gesellschaft. In dieser Hinsicht nimmt das 1978 entstandene Drama „In einem Jahr mit 13 Monden“ eine Sonderstellung ein, verarbeitete Fassbinder damit doch den Selbstmord seines damaligen Lebensgefährten Armin Meier.

Inhalt:

In letzter Zeit läuft vieles nicht gut im Leben der Transfrau Elvira Weishaupt (Volker Spengler), die sich einst aus Liebe zu einem Mann zur Frau wurde. Nach einer Prügelei mit ein paar Halbstarken in einem Frankfurter Park im Morgengrauen kommt es zu einem Streit mit ihrem Liebhaber Christoph (Karl Scheydt), der ihr verschiedene Vorwürfe macht und sie schließlich verlässt. Elvira versucht verzweifelt, Christoph zur Vernunft zu bringen, hält sich an der Motorhaube von Christophs Wagen fest, um dann auf die Straße katapultiert zu werden. Die gutherzige Prostituierte Zora (Ingrid Caven) beobachtet den Vorfall, begleitet Elvira in deren Wohnung, wo sich Elviras Trauer über die Trennung Bahn bricht. Zu allem Überfluss erhält sie auch noch Besuch von Irene (Elisabeth Trissenaar), ihrer Frau, als Elvira noch Erwin hieß. Irene regt sich über Zeitungsinterview auf, in dem Elvira neben Geschichten aus ihrem Leben auch von Irenes Beziehung zu Anton Saitz (Gottfried John) erzählt, einem wohlhabenden Geschäftsmann, der weite Teile Frankfurts kontrolliert. Sie befürchtet, Anton werde sich an ihr und der gemeinsamen Tochter Marie-Ann (Eva Mattes) rächen, und bittet Elvira, sich bei Saitz zu entschuldigen.
Auf ihrem Weg durch Frankfurt begegnet Elvira Menschen, die ihr Leben geprägt haben, angefangen bei der Ordensschwester Gudrun (Lilo Pempeit), die ihr im Kinderheim Trost spendete. Der Gang zu Anton wird zu einer Wiederbegegnung mit ihrem alten Leben, ihrer Zeit als Mann und als Gatte, doch ebenso mit den Beleidigungen und der Ablehnung, die sie immer wieder erfährt, doch nach der Trennung von ihrem Liebhaber doppelt schmerzt...

Kritik:

„Jedes 7. Jahr ist ein Jahr des Mondes. Besonders Menschen, deren Dasein hauptsächlich von ihren Gefühlen bestimmt ist, haben in diesen Mondjahren verstärkt unter Depressionen zu leiden, was gleichermaßen, nur etwas weniger ausgeprägt, auch für Jahre mit 13 Neumonden gilt. Und wenn ein Mondjahr gleichzeitig ein Jahr mit 13 Neumonden ist, kommt es oft zu unabwendbaren persönlichen Katastrophen. Im 20. Jahrhundert sind es sechs Jahre, die von dieser gefährlichen Konstellation bestimmt sind, eines davon ist das Jahr 1978. Davor waren es die Jahre 1908, 1929, 1943 und 1957. Nach 1978 wird das Jahr 1992 noch einmal das Dasein vieler gefährden.“

Bereits dieser Text im Vorspann bereitet den Zuschauer darauf vor, mit „In einem Jahr mit 13 Monden“ einmal mehr in die düsteren Abgründe der menschlichen Existenz abzutauchen. Fassbinder verarbeitet die Trauer über den Verlust seines eigenen Lebensgefährten durch die Geschichte eines Transmenschen, der ganz der Gefühlswelt verhaftet ist und aus Liebe stets zu drastischen Entscheidungen kommt, die ihn immer wieder nicht nur in akut lebensbedrohliche Situationen bringen, sondern vor allem sein Selbstwertgefühl immer wieder bis zur Zerstörung attackieren. 
Volker Spengler verkörpert diese bis in die Grundfeste erschütterte Person bis zur Selbstaufgabe, wobei Fassbinder, der hier für Idee, Buch, Produktion, Ausstattung, Schnitt, Kamera und Regie verantwortlich zeichnet, drastische Kontraste durch die Gegenüberstellung besonders intimer, zärtlicher Momente und Monologe auf der einen und realistischen Szenen wie von der Zerlegung noch lebender Kühe in einem Schlachthaus auf der anderen Seite inszeniert, um die Wirkung der Erzählung und der Wucht der tiefen Emotionen zu dramatisieren. Doch geht es Fassbinder nicht allein um das desaströse Leben der Transfrau Elvira. Vielmehr nutzt der Autorenfilmer die Geschichte auch dazu, mit Frankfurt gerade die Metropole der Hochfinanz wegen ihrer Gefühlskälte abzustrafen.
Hier werden Menschen nach Lust und Laune gefeuert, die traurigen Schicksale sowohl der für nicht tauglich befundenen Menschen ebenso wie der Tiere im Schlachthaus interessieren kaum. Der Immobilienhai Anton Saitz, der in einem KZ aufgewachsen ist, darf als Inbegriff gefühlkalter Geschäftsleute angesehen werden, die keine Liebe empfinden und ihren Lebenssinn allein im Wohlstand und in der Macht finden, die sie über andere Menschen haben.

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