Das Kaffeehaus

Beginnend mit „Katzelmacher“ (1969) hat Rainer Werner Fassbinder im Verlauf seiner Karriere immer wieder Bühnenstücke, die er zunächst für das Action-Theater, dann für das nachfolgende antiteater konzipiert hat, auch für die Leinwand, meist aber für das Fernsehen neu verfilmt. Nach „Katzelmacher“ war „Das Kaffeehaus“ (1970) die zweite Theaterverfilmung, diesmal nach einer Vorlage des venezianischen Komödiendichters Carlo Goldoni (1707-1793).

Inhalt:

Der ehemalige Diener Ridolfo (Peer Raben) hat sich mit Hilfe seines alten Dienstherrn auf rechtschaffende Weise ein Kaffeehaus an einer Piazzetta in Venedig aufgebaut, an der auch ein Spielcasino und eine Herberge liegen. Zu seinen Gästen zählt der junge Kaufmann Eugenio (Harry Baer), der Sohn von Ridolfos früheren Brotherren, der sein Vermögen verspielt und seine junge Frau Vittoria (Margit Carstensen) vernachlässigt. Fortwährend wird er von Flaminio aus Turin, der als Graf Leandro (Günther Kaufmann) auftritt und dem unerfahrenen Eugenio beim Spielen das Geld abnimmt, betrogen. Die Tänzerin Lisaura (Hanna Schygulla), der der falsche Graf Leandro die Ehe versprochen hat, obgleich er mit Placida (Ingrid Caven) verheiratet ist, stellt die nächste Handlungsfigur dar. Weitere Akteure sind der geldgierige Spielhöllenbesitzer Pandolfo (Peter Moland) und schließlich der aufdringliche, geschwätzige Don Marzio (Kurt Raab), ein neapolitanischer Adliger, der selbst vor Verleumdungen nicht zurückschreckt.
Nach einer beim Spiel durchzechten Nacht kommt Eugenio übelgelaunt ins Kaffeehaus. Er hat wieder einmal alles verloren, ja er muss sogar noch Spielschulden begleichen. In der Notlage springt der gute Kaffeehausbesitzer Ridolfo ein, macht Eugenio aber Vorhaltungen wegen seines liederlichen Lebenswandels. Eugenio ist aber noch lange nicht von seinem Laster geheilt und bald wieder gezwungen, um Geld zu betteln. Auch diesmal erweist sich der treue Ridolfo als Retter in der Not, obgleich dies nur bewirkt, dass der Unverbesserliche nochmals an den Spieltisch zurückkehrt. Als er nun eine kleine Summe gewinnt, lädt er alle Anwesenden großzügig zum Essen ein. Doch die allgemeine Freude in der Tafelrunde wird durch das Auftreten von Placida gestört, die von draußen die Stimme ihres treulosen Flaminio erkannt hat…

Kritik:

Ähnlich wie Fassbinder, der innerhalb von gerade mal dreizehn Jahren bis zu seinem frühen Tod im Alter von 37 Jahren gut 40 Kinofilme, Serien und Fernsehfilme inszenierte, absolvierte auch der Italiener Carlo Goldoni eine „Tour de force“, als er in der Spielzeit 1750/51 seinem Impresario Medebach vertraglich die Inszenierung von 16 neuen Stücken am Teatro Sant’Angelo zugesichert hatte. Dazu zählte auch die Komödie „Das Kaffeehaus“, mit der Goldoni in erster Linie das farbenfrohe und lebhafte Milieu einer in erster Linie bürgerlichen Gesellschaft vorstellen, aber auch die Einheit des Ortes wahren wollte. Für Fassbinder war Goldinis Vorlage der ideale Anlass, einmal mehr seine nicht sehr hohe Meinung vom Bürgertum zu thematisieren. Hier wird ohne Rücksicht auf Verluste gespielt (und verloren!), betrogen (am Spieltisch ebenso wie im Bett) und gelogen. Die Zuneigungen richten sich nach dem Nutzen, die der Begünstigte für einen haben kann, und wer im Weg steht, wird einfach denunziert. Einzig der aus niederen Verhältnissen stammende Ridolfo erweist sich als der einzige Rechtschaffende, der den in Not geratenen Menschen selbstlos Hilfe zukommen lässt, die diese allerdings nicht entsprechend zu würdigen wissen.
Fassbinder inszenierte das Stück wie von Goldini beabsichtigt in einem Raum, der ganz in Weiß gehalten ist und nur von ein paar Stühlen durchbrochen wird, auf dem sich das ganze Ensemble die ganze Zeit aufhält. So häufig das Stück an sich noch aufgeführt wird, ist Fassbinders Verfilmung nur noch selten zu sehen und für dessen Anhänger wirklich sehenswert.

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