Betty Anne Waters

Justiz-Skandale sind immer für Schlagzeilen, Leitartikel, John-Grisham-Romane und natürlich Kino-Produktionen gut. Gerade in Amerika, wo offensichtlich immer auch mal Unschuldige zum Tode verurteilt werden, erfreuen sich Dramen um Prozesse gegen unschuldig Verurteilte großer Beliebtheit, wie Oscar-prämierte Meisterwerke wie "Dead Man Walking" und "Erin Brockovich" nachhaltig untermauert haben. Schauspieler und (TV-)Regisseur Tony Goldwyn (u.a. "Dexter", "The L Word") hat sich für seinen Spielfilm "Betty Anne Waters" des tatsächlichen Falls um eine Frau angenommen, die jahrelang alles unternimmt, um ihren zu lebenslänglicher Haftstrafe verurteilten Bruder wieder aus dem Gefängnis zu holen. 
Weil ihre Mutter sich immer wieder mit anderen Männern einlässt und insgesamt neun Kinder in die Welt gesetzt hat, verbringen Kenny Waters (Sam Rockwell) und seine Schwester Betty Anne (Hilary Swank) den Großteil ihrer Kindheit bei Pflegefamilien und machen sich einen Spaß daraus, in die Häuser fremder Leute einzusteigen, um davon zu träumen, wie ihr Leben unter normalen Umständen verlaufen könnte. Die örtliche Polizei hat wenig Verständnis für diese Art von Hausfriedensbruch und verdächtigt Kenny immer wieder bei jedweden Delikten. 
Als eine Frau erstochen in ihrem Wohnwagen aufgefunden wird, glaubt die Polizei schnell, ihren Täter gefunden zu haben, und buchtet Kenny ein. Doch wo die Anwälte versagen, will Betty Anne das offensichtliche Unrecht wieder gutmachen. Sie holt ihren Schulabschluss nach und fängt mit einem Jura-Studium an, das sie neben Job und der Erziehung ihrer beiden Söhne nur schwer bewältigt. Doch nach Jahren, in denen Kenny im Gefängnis längst die Hoffnung aufgegeben hat, glaubt Betty Anne mit der 1985 entwickelten DNA-Analyse von Blutproben Kennys Verfahren wieder aufnehmen zu können.  Goldwyn erzählt die bewegende Geschichte eines unter schwierigen Umständen aufgewachsenen Geschwisterpaars in Zeitsprüngen zwischen Gegenwart und Vergangenheit, um zu demonstrieren, warum sich Betty Anne so für ihren Bruder einsetzt. Allerdings macht er dabei auch deutlich, wie gewalttätig Kenny in der Vergangenheit gewesen ist, so dass sich der Zuschauer immer wieder die Frage stellen muss, ob Betty Annes Engagement auch der richtigen Sache dient. Hilary Swank ("Million Dollar Baby", "Freedom Writers") und Sam Rockwell ("Moon", "Cowboys & Aliens") überzeugen in einer durchweg gediegenen, gut durchdachten Inszenierung, der es allerdings an ein paar Ecken fehlt, um den Film über eine routinierte Fernsehproduktion mit Starbesetzung hinauszuheben. 

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