A Most Violent Year

Es ist wohl seiner langjährigen Erfahrung als Dokumentarfilmer zu verdanken, dass Drehbuchautor und Regisseur J.C. Chandor mit seinen Filmen tiefe Einblicke in die Sujets gewährt, die er akribisch in seinen Werken aufbereitet. Nachdem er in seinem prominent mit Kevin Spacey, Jeremy Irons und Stanley Tucci besetzten Langfilmdebüt „Der große Crash“ (2011) in steril glänzenden Bildern die abgründigen Mechanismen der Börsenwelt sezierte, schickte er zwei Jahre später Schauspiel-Legende Robert Redford in „All Is Lost“ in einen Überlebenskampf auf hoher See. In seinem neuen Film „A Most Violent Year“ nimmt Chandor sein Publikum auf eine Zeitreise ins Jahr 1981, als New York die bis dahin höchste Kriminalitätsrate zu verzeichnen hatte.
Seit der in die USA eingewanderte Abel Morales (Oscar Isaac) vor fünf Jahren die Heizöl-Firma seines kriminellen Schwiegervaters übernommen hat, versucht er das Unternehmen zusammen mit seiner Anna (Jessica Chastain) in einem schwierigen Umfeld weiter wachsen zu lassen. Mit einem kühnen Grundstückserwerb direkt am Hafen hofft er, seine Expansionswünsche Wirklichkeit werden zu lassen. Das nötige Geld leiht er sich kurzfristig von jüdischen Geschäftsleuten, die ihm genau dreißig Tage zur Rückzahlung gewähren. Doch der Traum von einer goldenen Zukunft entwickelt sich schnell zu einem Albtraum, als mit Julian (Elyes Gabel) einer von Abels Fahrern während eines Transports überfallen und zusammengeschlagen wird.
Es bleibt nicht bei diesem einen Übergriff, aber Abel kann seinen Konkurrenten nicht nachweisen, dass sie dahinterstecken. Zu allem Überfluss hat sich der ehrgeizige Staatsanwalt (David Oyelowo) in die zwielichtigen Methoden der Heizölbranche verbissen und ermittelt vor allem gegen Morales. Als daraufhin Abels Bank von ihm Abstand nimmt, droht nicht nur sein Grundstücksdeal zu einem Fiasko zu werden.
J.C. Chandor hat die bemerkenswert hohe Kriminalitätsrate in New York des Jahres 1981 zum Ausgangspunkt für ein Drama genommen, das aufzeigt, wie schwierig es ist, in einer amoralischen Welt auf moralische Weise erfolgreich ein Unternehmen zu führen. So sehr sich Abel Morales auch bemüht, nicht auf die kriminellen Machenschaften seines Schwiegervaters oder die seiner Konkurrenten zurückzugreifen, gelingt es ihm nicht, mit seinen starken Überzeugungen auch seine Widersache zu zähmen. Oscar Isaac („Inside Llewyn Davis“) brilliert als integrer Geschäftsmann und fürsorglicher Familienvater, dem die Skrupel fehlen, mit den gleichen harten Bandagen zu kämpfen wie seine Konkurrenten auf dem hart umkämpften Energiemarkt. Aber auch Jessica Chastain („Zero Dark Thirty“) gelingt es, mit weit weniger mimischem Aufwand, die Zügel hinter den Kulissen in die richtige Richtung zu lenken. Am Ende hat Chandor mit „A Most Violent Year“ ein zweistündiges Drama geschaffen, das sich auf vielschichtige Weise auf der kleinen Bühne einer Unternehmerfamilie mit den Themen von Moral und Gewalt auseinandersetzt und den aussichtslos erscheinenden Kampf, das Richtige zu tun, in düsteren Bildern von „Selma“-Kameramann Bradford Young, mit pointierten Dialogen und einem zurückhaltenden Score von „All Is Lost“-Komponist Alex Ebert einfängt. Als Bonusmaterial sind auf der DVD/Blu-ray neben dem obligatorischen Making of auch Interviews mit den beiden Hauptdarstellern und Featurettes über den amerikanischen Traum und Regisseur J.C. Chandor zu finden, der sich zu einem der bemerkenswertesten Filmschaffenden dieser Zeit mausert.
"A Most Violent Year" in der IMDb

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