Eine neue Freundin

Der französische Filmemacher François Ozon hat in Filmen wie "Swimming Pool" (2003) und "Jung & schön" (2013) auf ebenso feinsinnige wie spannende und tiefgründige Weise die Beziehung zwischen Frauen seziert. In seinem neuen Werk "Eine neue Freundin" verleiht er diesem Sujet eine besonders pikante wie dramatische Note, doch lässt er in seiner Verfilmung der Romanvorlage von Ruth Rendell viele Möglichkeiten ungenutzt.
Seit ihrer Schulzeit sind Laura (Isild Le Besco) und Claire (Anaïs Demoustier) die besten Freundinnen, die auch nach Lauras Heirat mit David (Romain Duris) Bestand hat. Allerdings stirbt Laura nach der Geburt ihrer Tochter Lucie, und die zutiefst erschütterte Claire betont bei ihrer Trauerrede, sich wie zu Lauras Lebzeiten versprochen sowohl um deren Tochter als auch David zu kümmern. Dabei entdeckt sie zufällig, dass David sich im Haus gern als Laura verkleidet, mit blonder Perücke, Unterwäsche, Kleid und Schuhen. Claire ist zunächst schockiert, dann aber zunehmend fasziniert von Davids Verwandlung in eine Frau. Schließlich geht sie mit Virginia - so Davids Frauenname - sogar shoppen und fühlt sich von "ihr" auch sexuell angezogen. Ihren eigenen Mann Gilles (Raphaël Personnaz) verrät sie nichts von Davids transsexuellen Neigungen und trifft sich immer wieder heimlich mit David/Virginia ...
Ozons neuer Film beginnt mit Lauras Beerdigung und erzählt zunächst in punktuellen Rückblenden von der engen Freundschaft zwischen Laura und Claire, von den Jungen und Männern, die in ihr Leben treten und schließlich zu Ehemännern werden, und schließlich von Lauras schwerer Krankheit, der sie erliegt. Durch Claires Versprechen, sich nicht nur um Lauras Tochter, sondern auch ihren Ehemann zu kümmern, erhält die Geschichte ihre interessante Note, denn eine Affäre liegt buchstäblich in der Luft. Dass Claire allerdings mit Davids Transsexualität konfrontiert wird, untergräbt jede Erwartungshaltung des Publikums und gibt die Bahn frei für allerlei Entwicklungen. So gut nachzuvollziehen ist, dass Claire zunächst schockiert reagiert, Davids Verwandlung in Virginia aber zunehmend toleriert und sogar für sich selbst begrüßt, so bleiben Claires Gefühle in dieser Geschichte aber meist unausgesprochen. Stattdessen wird das Lügengebäude, das sie ihrem Mann gegenüber aufbaut, ebenso thematisiert wie ihr offensichtliches Vergnügen, mit Virginia auszugehen und zu shoppen, aber warum sie dieses und jenes tut, bleibt im Verborgenen.
"Eine neue Freundin" setzt sich mit den Problemen von Transsexuellen zwar mehr als nur andeutungsweise auseinander, aber wie sich das auf das konkrete Verhältnis zwischen Claire und David/Virginia auswirkt, lässt Ozon allenfalls in der Mimik und kleinen Gesten zum Ausdruck kommen, am deutlichsten in einer verzweifelten SMS, die Virginia Claire nach einem verunglückten Treffen schreibt: "Ich bin eine Frau!" Was das Drehbuch an Schwächen aufweist, macht die elegante Inszenierung größtenteils wieder wett. Bei den charismatischen Hauptdarstellerinnen hätte man sich vielleicht gewünscht, dass die Blutsfreundschaft zwischen ihnen noch mehr Raum bekommen hätte, aber im Fokus der Geschichte steht nun mal die Beziehung zwischen Claire und David/Virginia. Hier kann vor allem Romain Duris ("Ein Engel im Winter", "Der Schaum der Tage") punkten, der sein Dilemma, in sich selbst zwischen den Geschlechtern zu stehen, glaubhaft zum Ausdruck bringt. Anaïs Demoustier ("Café Olympique - Ein Geburtstag in Marseille", "Sehnsucht nach Paris") überzeugt zwar als Claire, die sich ihrer Gefühle scheinbar nicht ganz sicher ist, aber das Drehbuch gibt ihr leider nicht den Raum, ihre Figur konsequent auszufüllen. Gewohnt gute Arbeit hat auch Kameramann Pascal Marti ("Jung & schön", "Der Vater meiner besten Freundin") geleistet, der die Rückblenden in schönem Vintage-Look eingefangen hat und die Gegenwart in leuchtenden, klaren Farben.
"Eine neue Freundin" in der IMDb

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