A Most Wanted Man

Der niederländische Fotograf und Videofilmer Anton Corbijn hat bereits mit seinen ersten beiden Spielfilmen „Control“ und „The American“ bewiesen, dass er mit seiner atmosphärischen Bildsprache und einer zurückhaltenden Inszenierung mit langen Einstellungen eher dem europäischen Kino als dem hektischen Hollywood-Trubel verpflichtet ist. Nachdem Corbijn George Clooney in „The American“ (2010) eine prächtige Bühne für eindrucksvolle Schauspielkunst geboten hatte, darf nun Philip Seymour Hoffman in einem seiner letzten Filme beweisen, welch einen großartigen Mimen die Filmwelt verloren hat, als er gerade mal 46-jährig im Februar letzten Jahres an den Folgen einer Überdosis Drogen verstorben ist.
Als der russischstämmige Tschetschene Issa Karpov (Grigoriy Dobrygin) über verschlungene Wege nach Hamburg gelangt und in der islamischen Gemeinde der Hansestadt Unterschlupf findet, wird nicht nur die junge Menschenrechtsanwältin Annabel Richter (Rachel McAdams) auf ihn aufmerksam, sondern auch eine geheime deutsche Spionageeinheit, die von Günther Bachmann (Philip Seymour Hoffman) geleitet wird. Er findet heraus, dass Karpow von seinem kriminellen Vater zehn Millionen Euro geerbt hat, die er an gemeinnützige Organisationen in seiner tschetschenischen Heimat verteilen will. Die Transaktion soll über den britischen Privatbankier Thomas Brue (Willem Dafoe) und den muslimischen Wohltäter Dr. Faisal Abdullah (Homayoun Ershadi) abgewickelt werden, den Bachmann in Verdacht hat, über eine zyprische Reederei Terrornetzwerke zu finanzieren. Allerdings sitzen Bachmanns Team (u.a. Nina Hoss, Daniel Brühl, Kostja Ullmann) nicht nur der deutsche Verfassungsschutz, sondern auch die CIA-Agentin Martha Sullivan (Robin Wright) im Nacken, die Bachmann dafür verantwortlich macht, dass seine Quellen im Libanon aufgeflogen sind. Als Bachmann die Anwältin und Brue dazu überreden kann, mit ihm zusammenzuarbeiten, scheint sein Plan aufzugehen.
Anton Corbijn hat mit „A Most Wanted Man“ nicht einfach nur einen weiteren Agenten-Thriller von Genre-Spezialist John Le Carré („Das Russland-Haus“, „Der ewige Gärtner“) verfilmt, sondern auch einen nüchternen Kommentar zur Geheimdienstwelt nach dem 11. September 2001 abgeliefert. Wie die Unterredungen mit vermeintlichen Kollegen immer wieder unterstreichen, misstraut jeder jedem, ist jeder auf sich selbst angewiesen, versucht jeder, seine Weste rein zu halten. Philip Seymour Hoffman verkörpert den Typ des einzelgängerischen, Whiskey trinkenden und rauchenden Agenten wie kein zweiter. So sehr er an seine Mission glaubt, zweifelt er doch an den mutmaßlich ehrenwerten Absichten der anderen Geheimdienste und macht sich lustig über jene Schreibtischtäter, die große Töne spucken, aber nichts von seinem Geschäft verstehen. Hoffman trägt dabei in nahezu jeder Szene einen verzweifelten Gesichtsausdruck zur Schau, gibt sich aber immer wieder kämpferisch, wenn es um seine Überzeugungen geht.
Corbijn setzt mit seiner Inszenierung wie gewohnt weniger auf Action als auf atmosphärische Dichte in seiner Erzählung. Das geheimnisvolle Treiben der Geheimdienste spielt sich dabei nicht in den schicken Touristengegenden Hamburgs ab, sondern in Kunstlicht-beleuchteten Garagen und Bunkern und auf der Straße, an der stundenlang im Überwachungswagen auf hilfreiche Erkenntnisse durch die Zielperson gewartet wird. Neben Hoffman bleibt den anderen Darstellern kaum Raum zum Glänzen. Willem Dafoe vermag durchaus Akzente als zwielichtiger Bankier zu setzen, während Grigoriy Dobrygin überzeugend den gefolterten russischstämmigen Tschetschenen mimt, der scheinbar nichts weiter will, als sich vom Blutgeld seines Vaters loszusagen, aber von den Geheimdiensten als Terrorverdächtiger eingestuft wird. Rachel McAdams und Robin Wright sehen gut aus, können aber in ihren schablonenhaften Rollen kaum punkten. Dafür nutzen Rainer Bock und Martin Wuttke ihre kurze Leinwandzeit für prägnante Auftritte, und Corbijn-Freund Herbert Grönemeyer, der wieder die unauffällige Filmmusik komponieren durfte, kommt auch vor der Kamera zu einem Einsatz als Regierungsbeamter.
 „A Most Wanted Man“ überzeugt in seiner Vielschichtigkeit als klassischer Spionage-Thriller ebenso wie als zeitgemäßer Kommentar zur Unsicherheit, die in und zwischen den Geheimdiensten nach 9/11 herrscht.
"A Most Wanted Man" in der IMDb

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