Her

Spike Jonze hat bereits mit seinen ersten beiden gefeierten Filmen „Being John Malkovich“ und „Adaption“ auf ebenso tiefgründige wie humorvolle Weise Fragen nach Persönlichkeit und Identität thematisiert und sich damit in die Riege der originellsten Autorenfilmer in Hollywood katapultiert. Nach seiner eigenwilligen wie liebevollen Adaption des Kinderbuchklassikers „Wo die wilden Kerle wohnen“ kehrt er mit „Her“ wieder zu seinen Ursprüngen zurück und geht dem Wesen der Liebe in einer Welt nach, in der virtuelle Erfahrungen zunehmend echte Erlebnisse ersetzen.
In einer nicht allzu entfernten Zukunft verdient Theodore Twombly (Joaquin Phoenix) seinen Lebensunterhalt mit dem Verfassen von persönlichen Briefen für ganz verschiedene Auftraggeber, die er teilweise schon jahrelang begleitet. Während dem einfühlsamen Autor die Worte, die das persönliche Glück anderer Leute in die Wege leiten, nur so zufliegen, läuft er selbst nach der Trennung von seiner Frau Catherine (Rooney Mara) eher trübselig durch den Wolkenkratzer-Dschungel in Los Angeles. Als er fasziniert eine Werbung betrachtet, die ein Betriebssystem ankündigt, die auf einer künstlichen Intelligenz basiert, legt er sich das OS1 zu und beginnt sofort eine lebhafte Unterhaltung mit Samantha (Stimme: Scarlett Johansson), die nicht nur Theodores Mails checkt und seinen Terminplan überwacht, sondern mit ihrer überraschend einfühlsamen und witzigen Art schnell zu einer Art Freundin für den zurückgezogen lebenden Theodore wird. Und während die virtuelle Samantha rasend schnell die Bedürfnisse ihres menschlichen Gesprächspartners entdeckt, beginnen sich die beiden ineinander zu verlieben …
Spike Jonze benötigt nur wenige Bilder, um ein interessantes Szenario zu entwickeln, wie in naher Zukunft die Beziehungen des Menschen zu seiner Umwelt aussehen. Statt sich miteinander zu unterhalten, stehen die Menschen nur noch in Beziehung zu ihren Mini-Computern in Handy-Größe, die E-Mails vorlesen und verwalten, diktierte Nachrichten verschicken, ausgewählte Newsticker und Wettervorhersagen vorlesen und auch nach vorgegebener Stimmung die entsprechenden Songs spielen. In dieser computerisierten Welt ist der Mensch vor echten Überraschungen geschützt.
Sobald er sich aus dieser Komfortzone herauswagt und sich auf andere Menschen einlässt, und sei es auf der Basis von Telefon-Sex in Chatrooms, ist die Enttäuschung vorprogrammiert. Jonze wirft in seiner Sci-Fi-Romanze interessante Fragen nach den Beziehungen zwischen Menschen und ihrer virtuellen Umwelt auf, vor allem, wie weit sie sich wirklich annähern können, wenn die viel diskutierte künstliche Intelligenz so etwas wie Emotion und Intuition entwickelt. Dass es in dieser Hinsicht kein Happy-End für Theodore geben kann, ist zwar leicht vorherzusehen, doch wie Jonze die Beziehung zwischen seinem Protagonisten und dem sich ständig weiterentwickelnden Betriebssystem beschreibt, ist voller eindringlicher Momente, die ebenso zum Nachdenken wie Schmunzeln animieren.
Joaquin Phoenix („Signs“, „The Master“) brilliert mit einer angenehm zurückgenommenen Darstellung, die sich wunderbar mit Scarlett Johanssons Stimme ergänzt, während Theodores Erinnerungen an seine glückliche Zeit mit Catherine immer wieder deutlich machen, dass es zwar schwer ist, das einmal erlebte Liebesglück auch festzuhalten, dass es aber letztlich nichts gibt, was dem auch nur annähernd gleichkommt. Auch wenn „Her“ nicht ganz an Jonzes vorherigen Meisterwerke heranreicht, hat es zurecht den Oscar für das „Beste Drehbuch“ erhalten und hebt sich locker und wohltuend vom Hollywood-Mainstream ab.
"Her" in der IMDb

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