Barfuß auf Nacktschnecken

Nach dem überraschenden Tod ihrer Mutter bleibt die geistig leicht zurückgebliebene Lily (Ludivine Sagnier) auf eigenen Wunsch allein auf dem familiären Landgut zurück. Ihre ältere Schwester Clara (Diane Kruger) sorgt dafür, dass eine Nachbarin jeden Tag für einige Stunden nach dem Rechten sieht, sie selbst fährt jedes Wochenende mit ihrem Mann Pierre (Denis Ménochet) zu Lily, was die Ehe auf eine schwere Probe stellt, zumal Pierres Eltern ihre Meinung zu diesem Arrangement lauthals kundtun. 
Schließlich nimmt sich Clara eine Auszeit von ihrem Job als Anwaltssekretärin bei ihrem Mann und zieht zu Lily aufs Land. Doch der Alltag mit der unorthodox in den Tag hineinlebenden kleinen Schwester bringt auch Clara an ihre Grenzen. 
Bereits mit ihrem Regiedebüt "Frankie" hat die französische Autorin Fabienne Berthaud Diane Kruger eine psychologisch äußerst vielschichtige Hauptrolle spielen lassen, die dem Ex-Model mehr abverlangte als die Hollywood-Produktionen ("Troja", "Sehnsüchtig", "Unknown Identity"), in denen sie bislang agierte. Zusammen mit der talentierten Ludivine Sagnier ("Swimming Pool") mimt sie ein ungleiches Schwesternpaar, das seine Beziehung zueinander nach dem Tod der geliebten Mutter neu erfinden muss. Berthaud nimmt sich dabei viel Zeit, die beiden Frauenfiguren zu zeichnen, sie in ihrer landschaftlich schönen Lebenswert einzubetten. 
Dabei wird schon bei der Beerdigung deutlich, wie unterschiedlich beide Frauen mit der Bürde umgehen. Lily stopft in ihrem weißen Lolita-Kleidchen fröhlich Mengen an Cupcakes in sich hinein, während Clara in traditionellem Schwarz mühsam die Contenance zu bewahren versucht. Doch im Verlauf des Films verändert sich die Beziehung der beiden Schwestern zueinander. Es ist Berthauds feinsinniger Regie und dem bravourösen Spiel der beiden versierten Darstellerinnen zu verdanken, dass sowohl die Geschichte als auch deren Inszenierung zu fesseln verstehen. Da mag man es verschmerzen, dass gerade die männlichen Nebenfiguren recht blass bleiben. Gerade die Rolle von Claras Ehemann hätte hier als Gegenpol zu den Frauenfiguren Potential etabliert werden können. 
Am Ende geht es hier aber schließlich um das Schicksal eines Schwesternpaars, das in schönen, sanft fließenden Bildern und mit großem psychologischem Feingefühl erzählt wird. 

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