Hemel

Nicht zuletzt Charlotte Roche hat mit ihrem provozierenden Bestseller „Feuchtgebiete“ eindrucksvoll demonstriert, dass Sex auch jenseits der alltäglichen Präsentation von Porno und Hochglanzerotik ein interessantes Thema für den Feuilleton bleibt. Die niederländische Filmemacherin Sacha Polak präsentiert mit „Hemel“ ein psychologisch interessantes erotisches Drama, das bereits 2012 auf der Berlinale vorgestellt wurde und nun bei W-film auf DVD veröffentlicht wird.
Nach dem Tod ihrer Mutter verbringt die junge Hemel (Hannah Hoekstra)ihre Zeit vor allem damit, in Clubs und auf Partys zu gehen, um dort ohne viele Worte zu verlieren, Männer für einen One-Night-Stand abzuschleppen. An engeren Bindungen ist sie nicht interessiert. Dafür sorgt schon ihr derbes Vokabular, das sie selbst in Gegenwart ihres gerade volljährig gewordenen Steifbruders und dessen Freundin verwendet. Allein zu ihrem Vater Gijs (Hans Dagelet) unterhält Hemel ein inniges Verhältnis, das sich aber auch als kompliziert erweist. Dass ihr Vater ebenso locker mit seinen Beziehungen umgeht, kommt Hemel durchaus gelegen. So kann sie sich sicher sein, dass sie weiterhin der weibliche Angelpunkt seines Lebens bleibt. Doch diese Gewissheit geht verloren, als Gijs Hemel seine neue Freundin Sophie (Rifka Lodeizen) vorstellt, für die er offensichtlich erstmals nach dem Tod seiner Frau wirklich etwas zu empfinden scheint …
„Hemel“, der Name der jungen Protagonistin, bedeutet zu Deutsch „Himmel“, doch schon zum Auftakt des Films wird klar, dass sich Hemel in ganz anderen Sphären bewegt, nämlich bevorzugt zwischen fremden Bettlaken. Zunächst macht die Anfangsszene nur einen unkomplizierten, fast schon provozierend offenen Umgang mit Sex deutlich, doch wie sich schnell zeigen wird, verbirgt sich dahinter Hemels ganz offensichtliche Strategie, ihren aktuellen Sexpartner schnell wieder loszuwerden. Episodenhaft reiht Regisseurin Polak in ihrem Debüt die ganz unterschiedlichen Erlebnisse aneinander, die sich aus Hemels durchaus riskanten Lebenswandel ergeben. Wie die Begegnung mit einem SM-Typen zeigt, geht Hemel nämlich nicht immer als Regisseurin durch ihre Sexwelten hervor, sondern trägt auch sichtbarere als die nie zur Sprache kommenden inneren Wunden zur Schau. Interessant ist vor allem das Vater-Tochter-Verhältnis, dessen inzestuöse Züge allerdings nur angedeutet werden. Doch statt sich intensiver mit den emotionalen Abgründen auseinanderzusetzen, in denen sich Vater und Tochter bewegen, hält sich Polak nur an der Oberfläche auf.
Allein an dem rauen Ton mancher Unterhaltungen lassen sich die seelischen Probleme erahnen, die vor allem Hemel mit sich herumträgt. Dabei verlässt sich der Film auf eine ansprechende Filmsprache und eine überragende Hauptdarstellerin, die das Drama ganz allein zu tragen versteht. Aber ein wenig mehr Tiefgang hätte „Hemel“ in seiner episodenhaften Struktur durchaus gut getan.
"Hemel" in der IMDb

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