The Look of Love

Bereits mit „24 Hour Party People“ ist der britische Filmemacher Michael Winterbottom 2002 einem Phänomen der englischen Kulturszene auf den Grund gegangen, nämlich der Raveszene in Manchester, die in den 1970er und -80er Jahren weltweit für Furore sorgte, für die vor allem ein Name stand: Musikproduzent Tony Wilson. Für sein neues Werk „The Look Of Love“ hat Winterbottom mit dem Erotik-Baron Paul Raymond eine weitere Gallionsfigur der britischen Kulturgesellschaft portraitiert.
Der aus ärmlichen Verhältnissen stammende Paul Raymond (Steve Coogan) beginnt seine Karriere als Entertainer im Zirkus. Zu den Attraktionen, die er dort moderiert, zählt ein Löwe, der von zwei barbusigen Damen flankiert wird. Nach einem Zwischenfall sorgen vor allem die kaum bekleideten Damen, die vor dem gefährlichen Tier aus dem Käfig flüchten müssen, für Schlagzeilen, und Raymond erkennt das Potenzial halbnackter Frauen für seine Geschäftsidee. Tatsächlich erregt er Ende der 50er Jahre großes Aufsehen, als er im Londoner Westend-Viertel Soho seinen ersten Stripclub eröffnet und sich vor Gericht mit dem Vorwurf der Pornografie verantworten muss. Doch nicht zuletzt das große Medieninteresse sorgt für volle Kassen. Mit dem verdienten Geld kauft Raymond weitere Clubs und schließlich das Männermagazin „Men only“. Angesichts des mehr als komfortablen Lebensstils nimmt Raymonds Frau Jean (Anna Friel) die zahlreichen Affären ihres Mannes in Kauf und kümmert sich um die Erziehung der beiden Kinder. Erst als Raymond mit der Nacktschwimmerin Julia Harrison alias Fiona Richmond (Tamsin Egerton) eine engere Beziehung eingeht, trennt sich Jean von ihm. Währenddessen fliegt Tochter Debbie (Imogen Poots) wegen ihres Drogenkonsums von der Privatschule und will sich bei Papi als Showgirl selbstverwirklichen.
Doch der Traum platzt schnell und lässt sie im Drogensumpf versinken. Raymond ist viel zu sehr mit seinen Affären und Geschäften beschäftigt, um die drohende Katastrophe auch nur erahnen zu können …
Wie schon in „24 Hour Party People“ hat Winterbottom (“Ein mutiger Weg”, “9 Songs”) Steve Coogan als charismatischen Protagonisten seines Biopics besetzt und damit fast schon die halbe Miete für den zumindest künstlerischen Erfolg von „The Look Of Love“ eingefahren. Episodenhaft skizziert der Filmemacher den Werdegang des erotikbesessenen Entertainers, der Sex nicht nur als Geschäftsmodell betrachtet, sondern als Lebenselixier, das ihn allerdings blind macht für seine engere Umgebung. Wie wenig er mit seiner Familie anfangen kann, wird besonders in der Episode deutlich, als einer seiner Söhne, den er seit der Trennung von dessen Mutter seit Jahren nicht mehr gesehen hat, wieder in sein Leben tritt. Raymond lädt den jungen Erwachsenen zum Essen in sein Haus ein, betrachtet kurz die Fotos, die der Junge mitgebracht hat, dann trennen sich ihre Wege wieder.
So exemplarisch diese Szene für Raymonds fehlende Empathie ist, macht sich in ihr auch die große Schwäche des Films bemerkbar, denn „The Look Of Love“ lebt vor allem durch die Aneinanderreihung solcher vereinzelter Episoden, die keinen rechten Erzählfluss entstehen lassen. So interessant das Leben und die Eskapaden des Erotik-Magnaten auch ist, vermag Winterbottom seinem Werk bei aller schauspielerischer Klasse und stimmiger Ausstattung nicht die Tiefe und Dramatik verleihen, die den Zuschauer fesselt.
Als atmosphärisch glänzendes Gesellschaftsportrait der Soho-Szene in den 60er und 70er Jahren hat „The Look Of Love“ allerdings einiges an Unterhaltungswerten zu bieten.
"The Look of Love" in der IMDb

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