Genius - Die tausend Seiten einer Freundschaft

Nachdem der Brite Michael Grandage als Regisseur von Theaterstücken wie „Passion Play“ und „Caligula“ 2008 Platz 8 der vom Telegraph herausgegebenen Liste der 100 bedeutendsten Menschen in der britischen Kultur belegt hatte, wagt er sich mit der Verfilmung von A. Scott Bergs Biografie „Max Perkins: Editor Of Genius“ den Sprung auf die Kinoleinwand. Mit seinem Film „Genius – Die tausend Seiten einer Freundschaft“ thematisiert er auf faszinierende Weise die ungewöhnliche Freundschaft zwischen dem Lektor Max Perkins und dem Schriftsteller Thomas Wolfe, dem er in seinem Verlag zum Durchbruch verhilft.
Nachdem der extrovertierte Schriftsteller Thomas Wolfe (Jude Law) mit seinem Romandebüt bei jedem Verlag abgeblitzt ist, landet das „O Lost“ betitelte Werk auf dem Tisch von Max Perkins (Colin Firth), der beim renommierten Verlag Charles Scribner’s Son so berühmte Autoren wie Ernest Hemingway und F. Scott Fitzgerald betreut. Perkins ist von Wolfes Stil sofort angetan und will das Werk unbedingt veröffentlichen – allerdings erst nach einer saftigen Kürzung des Manuskripts um 300 Seiten. Dieser Prozess verläuft für beide Seiten äußerst schmerzhaft, schweißt die beiden der Literatur verschworenen, persönlich aber extrem unterschiedlichen Männer wiederum zusammen. Unter dem neuen Titel „Schau heimwärts, Engel“ wird Thomas Wolfes Romandebüt ein internationaler Erfolg, der den Autor offensichtlich noch produktiver werden lässt. Sein nächstes Buch „Von Zeit und Strom“ umfasst nämlich ungeheure 5.000 Seiten.
Die anstehende Straffung wird nicht nur zur stärkeren Belastungsprobe für die beiden Freunde, sondern auch für ihre Familien. Wolfes Beziehung zur verheirateten Kostümdesignerin Aline Bernstein (Nicole Kidman) steht vor dem Aus, und Perkins lässt seine Frau Louise (Laura Linney) mit den fünf Töchtern sogar allein in den Familienurlaub fahren …
Bereits die erste Begegnung zwischen Wolfe und Perkins macht deutlich, wie unterschiedlich die beiden Literaturliebhaber in ihrem Wesen sind. Während Wolfe mit ausladenden Gesten und lautem Getöse seine Begeisterung gar nicht erst versucht, im Zaum zu halten, erklärt ihm der in sich ruhende, abgeklärte Lektor, wie notwendig es ist, „O Lost“ in eine straffere Form zu bringen. Was „Genius“ so faszinierend macht, ist der authentisch wirkende Einblick sowohl in das schriftstellerische Schaffen als auch in die akribische Arbeit des Lektors, der sich auf einem schmalen Grat bewegt, in das ursprüngliche Werk eines Autors nicht zu stark einzugreifen, es aber in eine möglichst gut verkäufliche und lesbare Form zu bringen.
Thomas Wolfe ist sich dabei seines Ausnahmetalents sehr bewusst. Zu den stärksten Szenen des Films gehört der Besuch der beiden Freunde in einer Jazz-Bar, wo Wolfe seinem Freund anschaulich darlegt, wie sich seine Kunst von den Werken anderer Autoren unterscheidet. Der Film lebt dabei nicht von der stimmungsvoll eingefangenen Atmosphäre der 1930er Jahre, sondern vor allem aus den konträren Persönlichkeiten, die sich auf ihre jeweils eigene Weise um die Literatur verdient gemacht haben.
Wie Colin Firth („The King’s Speech“, „A Single Man“) als besonnener Lektor und Jude Law („Sherlock Holmes“, „Side Effects“) als exaltierter Autor um die beste Form ringen, macht einfach Laune. Dagegen können Nicole Kidman („Ich. Darf. Nicht. Schlafen.“, „Stoker – Die Unschuld endet“) und Laura Linney („Mr. Holmes“, „Nocturnal Animals“) als ihre besseren Hälften leider nur selten Akzente setzen, und auch Dominic West als Ernest Hemingway und Guy Pierce als F. Scott Fitzgerald dürfen nur kurz illustrieren, was ihnen ihre Freundschaft zu Perkins bedeutet.
Dank der gediegenen Inszenierung, John Logans („Penny Dreadful“, „Gladiator“) gelungener Adaption der biografischen Vorlage und der famosen Darstellungen von Firth und Law ist „Genius“ ein durchweg faszinierendes Biopic geworden, das wunderbare Einblicke in die Welt der Literaturschaffenden gewährt.
"Genius" in der IMDb

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