Der elektrische Reiter

Insgesamt sieben Filme haben der 2008 verstorbene Regisseur Sydney Pollack und sein Star-Darsteller Robert Redford miteinander realisiert. Nach dem Spätwestern „Jeremiah Johnson“ (1972) thematisierten sie 1979 mit „Der elektrische Reiter“ den endgültigen Abgesang auf den Western-Mythos, der in der Glitzerwelt der modernen Zivilisation nur noch für den Verkauf von Illusionen von Nutzen ist.
Der vielfache Rodeo-Champion Sonny Steele (Robert Redford) ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Seinen Lebensunterhalt verdient er nun als Werbeträger für den milliardenschweren Konzern Ampco, dessen Frühstocksflocken er in meist betrunkenem Zustand und beleuchteten Glitzer-Kostüm u.a. in den Vergnügungstempeln von Las Vegas anpreist und dabei schon mal vom Pferd fällt.
Als er bei einer prominenten Veranstaltung auf dem preisgekrönten Rennpferd Rising Star zu tanzenden Girls auf einen Laufsteig reiten soll, platzt Sonny endgültig der Kragen. Er flieht mit dem Pferd, das vor der Show mit Steroiden beruhigt worden ist, vom Veranstaltungsort und reitet zu seinem alten Freund Gus Atwater (Will Hare), von dem er sich ein Wohnmobil ausleiht, um Rising Star zu einer Herde von anderen Wildpferden zu bringen. Der aufgebrachte Ampco-Chef Hunt Sears (John Saxon) setzt alles daran, Sonny und das Pferd ausfindig zu machen, um einen Skandal wegen der Tierquälerei zu vermeiden. Als er jedoch erfährt, dass Sonnys Aktion den Verkauf seiner Cornflakes ankurbelt, versucht er, aus der Wiederbegegnung mit dem geflüchteten Werbeträger ein Medienereignis zu machen. Hier hofft er indirekt auf die Mithilfe der Journalistin Alice Martin (Jane Fonda), die Wind von Sonnys Plänen bekommen hat und eine große Story wittert. Als sie Sonny jedoch näher kennenlernt, kann sie seine Beweggründe immer besser verstehen …
Sydney Pollocks „Der elektrische Reiter“ überzeugt vor allem als Gegenüberstellung zweier Welten. Die oft romantisierten Zeiten des Wilden Westens gehören der Vergangenheit an, eine Tatsache, die sich von ihren letzten Vertretern nur noch im verzweifelten Rauschzustand ertragen lässt, wie Pollock seinen Protagonisten Sonny auch einführt. Nachdem seine ruhmreiche Vergangenheit als Rodeo-Champion im Vorspann durch Zeitungsartikel und Siegerehrungen kurz zusammengefasst wird, begegnet uns Sonny in der Gegenwart als völlig betrunkener Typ, dem von seinen beiden Partnern in seine beleuchtete Glitzerkluft gezwängt und auf sein Pferd gehievt werden muss, auf dem er dann mit einer Cornflakes-Packung in der Hand durch eine nächtliche Arena reitet. Viel weiter hätte sich Sonny mit seinem neuen Leben nicht von seiner ursprünglichen Arbeit entfernen können. Als letztlich austauschbarer Werbeträger für ganz normale Frühstücksflocken hat er sich und sein Ideal, in unberührter Natur zu leben, für gutes Geld verkauft.
Erst als er mitbekommt, dass der Konzern, mit dem er den gut dotierten Werbevertrag unterhält, ohne Rücksicht auf die Nebenwirkungen ein wertvolles Rennpferd mit Steroiden vollpumpt, damit es im Kontext einer Werbeveranstaltung beruhigt wird, bricht Sonny aus seinem Trott aus und besinnt sich wieder auf seine ursprüngliche Lebensweise.
Die Konfrontation zwischen manipulativ agierenden Superkonzernen und nach guten Zuschauerquoten lechzenden Medien mit der Sehnsucht nach einer ursprünglicheren, naturverbundenen Zeit stellt der Film allerdings sehr eindimensional dar. Vor allem der mit riesigen Summen jonglierende Ampco-Konzern wird in jeder Szene dämonisiert und mit skrupellosen Geschäftspraktiken gleichgesetzt. Etwas subtiler wird die Rolle der Medien thematisiert. Während die Journalistin Alice Martin zunächst auch nur auf der Jagd nach einer guten Story zu sein scheint, entwickelt sie zunehmend Sympathien für den Ausreißer, der im Mittelpunkt ihrer Geschichte steht. Allerdings verwässert die Romanze zwischen Sonny und ihr den Konflikt zwischen der einst ursprünglichen, authentischen Welt und der effektheischenden, glitzernden, mit falschen Versprechungen lockenden modernen Welt, in der der Schein über das Sein, das Geld über den Charakter regieren. Dieser Gegensatz ist visuell überzeugend inszeniert, und Robert Redford und Jane Fonda geben ein hübsches Leinwand-Paar ab. Der Romanze ist es wohl verschuldet, dass die kritische Gegenüberstellung von alter und neuer Welt nicht besonders tiefschürfend ausgefallen ist, aber unterhaltsam ist „Der elektrische Reite“ allemal. 
"Der elektrische Reiter" in der IMDb

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