Crimes of the Future

Mit Filmen wie „Parasiten-Mörder“ (1975), „Scanners“ (1981), „Videodrome“ (1983) und „Die Fliege“ (1986) hat sich der kanadische Filmemacher David Cronenberg als Musterbeispiel für fetischisierten Body-Horror etabliert, bevor er in seiner Spätphase mit Werken wie „Eastern Promises“, „A History of Violence“, „Eine dunkle Begierde“ und „Maps to the Stars“ auch das Mainstream-Publikum abzuholen verstand. Im vergangenen Jahr kehrte Cronenberg nach langjähriger Pause mit „Crimes of the Future“ wieder zu seinen Ursprüngen zurück, ohne aber die Intensität seiner früheren Body-Horror-Werke zu erreichen. 
Inhalt: 
In einer nicht allzu entfernten Zukunft empfinden die Menschen nicht nur weniger Schmerzen, sondern leiden auch unter einem sogenannten „Beschleunigten Evolutionssyndrom“, das verschiedene körperliche und mentale Veränderungen nach sich zieht, u.a. die Herausbildung neuer Organe. Der Performance-Künstler Saul Tenser (Viggo Mortensen) hat sich mit seiner Partnerin Caprice (Léa Seydoux) einen Namen damit gemacht, die in ihm gewachsenen und noch im Körper tätowierten Organe in öffentlichen Vorstellungen herausoperieren zu lassen. Das ruft auch den Bürokraten Wippet (Don McKellar) und seine Assistentin Timlin (Kristen Stewart) auf den Plan, die gerade dabei sind, eine Registrierungsstelle für neuartige Organe, die National Organ Registry, aufzubauen, um eine unerwünschte Entwicklung in der menschlichen Evolution rechtzeitig Einhalt gebieten zu können. Um dem Publikum etwas Neues zu bieten, plant Saul, an einem Inner Beauty Contest teilzunehmen und sich in der Kategorie „Best Original Organ“ nominieren zu lassen. Derweil trauert Long Dotrice (Scott Speedman) um seinen Sohn, der von der Mutter ermordet worden ist, weil er ein Organ entwickelt hat, das die Verdauung von Plastik ermöglicht. Die Leiche des Jungen will Dotrice ebenfalls in einer öffentlichen Performance obduzieren lassen… 

Kritik: 

Wer als langjähriger Fan von David Cronenberg und gerade seiner wegweisenden Body-Horror-Arbeiten hofft, mit „Crimes of the Future“ ein modernes Revival seiner oft extrem blutigen und schockierenden Körperkunst zu erleben, wird fraglos enttäuscht werden. Zwar wird auch hier fleißig am Körper geschnipselt, werden Organe freigelegt und entnommen, doch geht dies auf schon unrealistische Weise ganz unblutig vonstatten und wird so klinisch präsentiert, dass von einer Schockwirkung ganz gewiss nicht die Rede sein kann. 
Auch die bei Cronenberg in diesem Zusammenhang gern präsentierten Metamorphosen, die der menschliche Körper in der Verschmelzung mit „Fremdkörpern“ durchläuft, erweisen sich als enttäuschend unspektakulär. Wenn Cronenberg-Star Viggo Mortensen („Eastern Promises“, „A History of Violence“, „Eine dunkle Begierde“) in einer Art Alien-Stuhl sitzt und auf verkrampfte Art und Weise Nahrung zu sich nimmt, ernten diese billig inszenierten Szenen nur ein Gähnen beim Publikum. Auf der anderen Weise befasst sich Cronenberg, der das Drehbuch zu dem Film bereits 1999 verfasst und seitdem nach eigener Aussage nicht mehr verändert hat, mit der spannenden Frage zur zukünftigen Entwicklung der menschlichen Evolution und regt auf gewohnt unkonventionelle Weise zum Nachdenken an. 
Dabei reduziert er gleichermaßen das Ensemble wie die Ausgestaltung der Steampunk-Kulissen der Independent-Produktion, die übrigens nichts gemeinsam mit Cronenbergs gleichnamigen Film aus dem Jahr 1970 hat. 
Ein gutes Gespür hat Cronenberg einmal mehr mit der Auswahl seiner Darsteller bewiesen. Neben den gut miteinander harmonierenden Hauptdarstellern Viggo Mortensen („Hidalgo“, „The Road“) und Léa Seydoux („Die Geschichte meiner Frau“, „James Bond 007: Keine Zeit zu sterben“) ist es vor allem Kristen Stewart („Twilight – Biss zum Morgengrauen“, „Spencer“), die mit ihrem Spruch „Operationen sind der neue Sex“ bereits die Quintessenz des Films zusammenfasst. 
Allerdings braucht es schon etwas ausgeprägtes Vorstellungsvermögen, um in den klinisch wirkenden Performance-Sequenzen eine erotische Qualität zu entdecken. Auch wenn Cronenberg mit „Crimes of the Future“ nicht an seine anarchistischen, bahnbrechenden Frühwerke anschließen kann, beweist der Film des 79-jährigen Filmemachers zumindest, dass Cronenberg noch immer für Überraschungen gut ist. 

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