Der seltsame Fall des Benjamin Button

Der Beginn von David Finchers Hollywood-Karriere war von zutiefst düsteren und verstörenden Thrillern wie „Alien³“, „Sieben“, „Fight Club“ und „The Game“ geprägt. Bevor er allerdings in eine entsprechende Schublade gesteckt worden ist, legte Fincher 2008 mit der recht freien Verfilmung von F. Scott Fitzgeralds Kurzgeschichte „Der seltsame Fall des Benjamin Button“ ein berührendes Drama mit Brad Pitt und Cate Blanchett in den Hauptrollen vor, das mit 13 Oscar-Nominierungen bedacht und immerhin mit drei der begehrten Trophäen ausgezeichnet wurde. 

Inhalt: 

Während Hurrikan Katrina im August 2005 mit beängstigender Geschwindigkeit auf die Golfküste zusteuert, erhält die im Sterben liegende Daisy (Cate Blanchett) Besuch von ihrer Tochter Caroline (Julia Ormond) und bittet diese, ihr aus einem Buch vorzulesen. Es handelt sich dabei um das Tagebuch von Benjamin Button (Brad Pitt), der – wie er schreibt – im Jahr 1918 unter „ungewöhnlichen Umständen“ zur Welt gekommen ist, nämlich in dem Augenblick, als ein blinder Uhrmacher (Elias Koteas) seine rückwärtsgehende Uhr eingeweiht hat. Während seine Mutter noch im Kindbett stirbt, erträgt sein Vater Thomas (Jason Flemyng) nicht die greisenhafte Erscheinung des Babys und setzt es mit 18 Dollar auf der Treppe eines Altenheims ab. Dort wird Benjamin von der farbigen Altenpflegerin Queenie (Taraji P. Henson) gefunden und wie ein eigenes Kind aufgezogen, da es ihr nicht vergönnt zu sein scheint, selbst Kinder zu gebären. 
Während Benjamin wegen seines gebrechlichen Körpers an den Rollstuhl gefesselt ist, wächst der Junge trotz seiner kurzen Lebenserwartung über die Jahre im Seniorenheim auf und macht so erstmals mit der Erfahrung Bekanntschaft, geliebte Menschen zu verlieren. Hier lernt Benjamin auch die gleichaltrige Daisy (als Kind: Elle Fanning) kennen, in der der Junge in Greisengestalt eine Seelenverwandte findet. 
Doch je – körperlich – jünger Benjamin auf der einen und älter Daisy auf der anderen Seite wird, desto mehr trennen sich ihre Lebensweisen. Benjamin heuert als Seemann auf dem Schlepper von Captain Mike (Jared Harris) an und gerät dabei in die Wirren des Zweiten Weltkriegs, Daisy verfolgt erfolgreich ihre Karriere als Balletttänzerin, die sie bis an Moskauer Bolschoi-Theater führt. 
Nachdem Daisy durch einen tragischen Zufall von einem Taxi angefahren worden ist und ihre Karriere beenden muss, trifft die den nun auch körperlich gleichaltrigen Benjamin wieder, nachdem dieser sich die Hörner in einem Bordell abgestoßen und eine Affäre mit der Frau eines britischen Spions (Tilda Swinton) unterhalten hatte. Doch das Glück hält nicht lange an, denn während Benjamin äußerlich immer jünger wird, altert Daisy auf natürliche Weise… 

Kritik: 

David Fincher hat sich in seinen vorangegangenen Filmen stets als großartiger Regisseur erwiesen, der auf audiovisuell beeindruckende Weise die Abgründe des menschlichen Daseins erkundete. Mit der modernen Version von F. Scott Fitzgeralds bereits 1922 veröffentlichten Kurzgeschichte „Der seltsame Fall des Benjamin Button“ präsentiert sich der Filmemacher ungewohnt einfühlsam. Der mit über zweieinhalb Stunden etwas zu lange Film konzentriert sich ganz auf die diametral alternden Protagonisten und entwickelt sich zu einer tiefsinnigen Auseinandersetzung mit Fragen rund um das Altern, um die Geburt und das Sterben, um Liebe und Verlust. 
Schon die eröffnende Episode mit dem blinden Uhrmacher, der durch seine Schöpfung dem Gedanken folgt, dass mit seiner rückwärtsgehenden Uhr auch die Zeit zurückgedreht werden könne, so dass sein Sohn aus dem Krieg zurückkommen würde, wird mit beeindruckend erscheinenden rückwärts laufenden Bildern untermalt und macht so den Weg des Zuschauers zum Staunen frei, denn auch die Lebensgeschichte Benjamin Buttons steckt voller wunderbarer Einfälle. Dazu zählt der Besuch des vermeintlich alten Mannes in einem Bordell, wo er – als Teenager - zu überraschenden Höchstleistungen aufläuft, sowie die stets nachts in einem russischen Hotel praktizierte Affäre mit der Frau eines britischen Spions oder die Abenteuer, die Benjamin auf hoher See erlebt. 
Das ist nicht nur wunderbar fotografiert und von Alexandre Desplats einfühlsamen Score begleitet, sondern auch gerade von Brad Pitt großartig gespielt, denn er bringt die Diskrepanz zwischen geistigem und körperlichem Alter überzeugend miteinander in Einklang. Das Oscar-prämierte Make-up von Greg Cannom („Bram Stokers Dracula“, „Vice: Der zweite Mann“) lässt Brad Pitt ebenso eindrucksvoll verjüngen, wie es Cate Blanchett älter werden lässt. Neben all den bereits angesprochenen philosophischen Themen, die „Der seltsame Fall des Benjamin Button“ anspricht, ist der Film vor allem eins: eine ungewöhnliche Liebesgeschichte, die zu den schönsten zählt, die in Hollywood erzählt worden ist.  

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