Mann beißt Hund

Ein Mann schaut aus dem Fenster eines fahrenden Zuges und lässt höflich – so scheint es zunächst - eine Frau passieren, doch gerade als sie auf seiner Höhe ist, reißt er sie nach hinten ins leere Abteil und erdrosselt das überraschte wie hilflose Opfer qualvoll und effizient. Anschließend referiert der Täter mit Namen Ben (Benoit Poelvoorde) über die Dinge, die beim Versenken einer Leiche im Wasser zu beachten sind, und der Zuschauer muss umgehend umschalten.
Ging er anfangs von einem gewöhnlichen Thriller aus, findet er sich nun in einer vermeintlichen Dokumentation wieder. Die belgische Mockumentary „Mann beißt Hund“ aus dem Jahre 1992 stellt gleich zu Beginn die Frage nach der moralischen Verwerflichkeit des Projekts, bei dem ein Serienkiller von einem dreiköpfigen Filmteam bei seiner Arbeit begleitet und gefilmt wird, und ruft beim Zuschauer ein irritierendes Unbehagen hervor. Schließlich ist es doch höchst unmoralisch, nicht nur eine, sondern eine ganze Reihe von schwerwiegenden Straftaten live mit der Kamera zu dokumentieren, um damit auch noch Geld zu verdienen. Schließlich will das Filmteam sein Werk noch verkaufen. Doch bevor sich der Zuschauer näher mit moralischen Fragen auseinandersetzen kann, wird er von dem einzigartigen Charme des Protagonisten umgarnt.
Ben ist alles andere als ein Killer, wie man ihn sich gewöhnlich vorstellen mag. Er ist kein wortkarger, vorsichtig und akkurat agierender Einzelgänger, sondern präsentiert sich als fröhlicher Familienmensch, geselliger Unterhalter mit komödiantischem Talent und einem Hang zu übermäßigen Alkoholkonsum, weshalb er öfter über die Stränge schlägt und sich immer mal wieder – auch direkt in der Bar oder im Restaurant – mächtig übergeben muss. Ben weiß sich zu präsentieren und in Szene zu setzen. Er geht nach getaner Arbeit mit den Filmjungs in die Kneipe und versteht es, sie für sich einzunehmen. Schließlich helfen sie ihm sogar bei der Erledigung seiner Jobs, bis sie selbst unter Beschuss geraten …
Benoit Poelvoorde, André Bonzel und Rémy Belveaux haben mit „Mann beißt Hund“ einen bemerkenswerten Film in ausdrucksvollem Schwarz-Weiß inszeniert. Indem das Filmteam die Distanz zu dem Protagonisten aufhebt, wird das Dogma des Dokumentarfilms ad absurdum geführt, nie selbst in das Geschehen einzugreifen. Dazu lassen sich die Jungs auch noch vom generösen Ben bezahlen und einladen, so dass von einer unabhängigen Berichterstattung keine Rede sein kann. Doch mit dem Fehlverhalten des Filmteams geht auch die Frage einher, wie der Zuschauer auf dieses Szenario reagiert.
Durch den hohen Unterhaltungswert von Bens Performance fällt es auch dem Betrachter schwer, das Gefilmte gänzlich zu verurteilen. Schließlich sind die satirischen und grotesken Momente so gehäuft, dass die Grenzen auch zwischen Doku- und Spielfilm verwischen. Nun ist dieses provokative Meisterwerk auch als Blu-ray erhältlich!
"Mann beißt Hund" in der IMDb

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