Blochin - Die Lebenden und die Toten

Mit seinen Filmen „Der freie Wille“ (2006), „This is Love“ (2009) und „Gnade“ (2012) hat der Hamburger Drehbuchautor, Produzent und Regisseur Matthias Glasner bewiesen, dass er jenseits herkömmlicher Serienformate, für die er sonst tätig gewesen ist („Einsatz Hamburg Süd“, „KDD – Kriminaldauerdienst“, „Tatort“) durchaus außergewöhnliche Geschichten auf der Kinoleinwand zu erzählen in der Lage ist. Mit dem eigentlich als anderthalbstündigen Fernsehfilm geplanten „Blochin“ hat Glasner die ZDF-Programmdirektion aber offensichtlich so umgehauen, dass daraus eine fünfteilige-Miniserie geworden ist, die nach ihrer Ausstrahlung im ZDF und in der Mediathek nun auch auf einer Doppel-DVD (Studio Hamburg Enterprises/ZDF) erhältlich ist.
In seinem früheren Namen war Blochin (Jürgen Vogel) in der Drogenszene aktiv, dann wechselte er die Seiten und versucht seither bei der Mordkommission 7 in Berlin, endlich das Richtige zu tun. Doch als ein Drogendealer tot aufgefunden wird, gerät er unvermittelt zwischen die Fronten. Auf dem Foto eines Zeugen, das Blochins Vorgesetzten und Schwager Dominik Stötzer (Thomas Heinze) vorliegt, ist Blochin in unmittelbarer Nähe zu sehen. Blochin wandert zunächst in den Knast, drängt seinen Schwager jedoch dazu, ihn entweder rauszuholen oder selbst in den Knast einzufahren. Denn Blochin war wiederum dabei, als Dominik einen Tatverdächtigen auf der Flucht erschießt. Blochin nutzt die Zeit im Knast dazu, seinen ebenfalls einsitzenden Kumpel David Simon (Marko Drylich) zu überreden, eine Aussage zu machen, um die dubiosen Machenschaften eines russisch-stämmigen Militärdienstleisters aufzudecken, die in Kabul offensichtlich mitgeholfen hat, Drogen mit deutschen Militärflugzeugen nach Deutschland zu bringen. Während die Staatsekretärin des Innensenators (Jördis Triebel), mit der Dominik eine heimliche Affäre hat, die Verantwortlichen für diese Transaktionen überführen will, wird ihr eine Beförderung ins Innenministerium angeboten, wo sie allerdings auch nicht viel ausrichten kann. Die Hoffnungen ruhen auf dem kürzlich aus Afghanistan mit seiner Frau und Tochter eingereisten Achmed (Kerem Can), der jedoch selbst Angst um sein Leben und das seiner Familie hat. Bei all dem Trubel bleibt Blochin, der als 14-Jähriger erschossen, für tot gehalten wurde und in einem Waisenhaus aufgewachsen ist, kaum Zeit, sich um seine an Multipler Sklerose erkrankte Frau Inka (Maja Schöne) und seine Tochter Grille (Emilia Eidt) zu kümmern, zumal der Fall auch das Rätsel seiner eigenen Vergangenheit lösen könnte …
Nachdem Glasner mit Jürgen Vogel äußerst erfolgreich in den oben genannten Kinofilmen zusammengearbeitet hat, schrieb er ihm die Rolle des taffen Zivilpolizisten Blochin quasi auf den Leib. Als prinzipientreuer Kämpfer für die Gerechtigkeit ist die Figur allerdings über die fünf Kapitel der ersten Staffel erschreckend eindimensional angelegt. Dass er sich zwar als liebender Ehemann und Vater aufführt, aber bei jeder noch so kuriosen Situation gegen seine Familie entscheidet, wirkt ebenso unglaubwürdig wie die ganzen korrupten Charakterzüge von Blochins Kollegen. Davon abgesehen bringt Glasner in seinem komplexen Krimi-Drama um Drogen, Vergangenheitsbewältigung, Identitätsfindung, Selbstverwirklichung, Liebe, Krankheit, Betrug, Verrat, Schuld, Sühne, Gerechtigkeit, Erpressung, Korruption bis in die höchsten politischen Kreise etwas viele Handlungsstränge ins Spiel, die die Dramaturgie der Geschichte nicht wirklich unterstützen.
Interessant sind vor allem die Figuren aus Blochins Umfeld, allen voran Thomas Heinze („Lügen und andere Wahrheiten“, „Marie Brand“) als sein Schwager Dominik, der seine Schwester und ihre Tochter bei sich aufnimmt, als Blochin ins Gefängnis muss, der gern eine tiefere Beziehung zu seiner verheirateten Affäre unterhalten würde und sowohl eine schützende Hand über Blochin hält, als auch seine eigenen unrühmlichen Handlungen zu vertuschen sucht. Auch einige der Frauen in „Blochin“, die ungewöhnlich oft nackt oder halbnackt zu sehen sind, bieten interessante Ansätze. So bringt Maja Schöne („Buddenbrooks“, „Zarte Parasiten“) Blochins schwerkranke Frau sowohl ihre Liebe zu ihrem Mann als auch die Verzweiflung über sein Verhalten mit einer gequälten Intensität zum Leben, die tiefen Eindruck hinterlässt.
Die Grundidee für „Blochin“ bietet durchaus Stoff für die weiteren geplanten Folgen, doch dann sollte sich die Serie etwas fokussierter auf ihre Themen zeigen und ihren Figuren, allen voran dem titelgebenden Blochin, Raum zur persönlichen Entwicklung geben. So bietet die erste Staffel mit ihren zwei anderthalbstündigen und drei einstündigen Folgen zwar eine Vielzahl von interessanten, handwerklich sehenswert inszenierten Momenten, aber sie verliert durch unnötige Nebenplots, lose Handlungsfäden und unglaubwürdig gezeichnete Charaktere an Durchschlagskraft.
"Blochin - Die Lebenden und die Toten" in der IMDb

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