Love & Mercy

Mit Hits wie „Good Vibrations“, „Wouldn’t It Be Nice“, „I Get Around“ und „California Girls“ avancierte die amerikanische Band The Beach Boys mit ihrem Surf-Sound Mitte der 1960er Jahre zur einzigen Band, die es mit den Beatles aufnehmen konnte. Vor allem ihrem Mastermind Brian Wilson haben es die meist familiären Mitglieder der Band zu verdanken, dass die Beach Boys nicht nur Dauergäste in den internationalen Charts waren, sondern sich auch in kreativer Hinsicht immer weiterentwickelten. Bill Pohlad präsentiert mit „Love & Mercy“ ein unterhaltsames Biopic über diesen visionären Musiker und eröffnet einen etwas anderen Blick auf Brian Wilssons Leben und Wirken.
Nach etlichen Erfolgsalben reicht es dem Beach-Boys-Mastermind Brian Wilson (Paul Dano) Mitte der 60er Jahre nicht mehr, Alben aufzunehmen, auf denen sich einfach Hit an Hit reiht. Stattdessen schwebt ihm ein Konzeptalbum vor, das wie aus einem Guss wirkt. Während die übrigen Bandmitglieder ohne ihn auf Tour gehen, bastelt Brian an seinem Magnum Opus, das jedoch seinen Mitstreitern nach ihrer Rückkehr zu sperrig und unkommerziell klingt. Brian erträgt den Druck durch seinen autoritären Vater Murry (Bill Camp) und die Erwartungshaltung seiner Brüder nur schwer und betäubt sich mit Drogen. Ein Vierteljahrhundert später ist Brian (jetzt: John Cusack) nur noch ein Schatten seiner selbst. Seitdem Dr. Eugene Landy (Paul Giamatti) bei ihm eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert und die Vormundschaft über ihn bekommen hat, hält der cholerische Arzt seinen Schützling durch eine zu hohe Medikation gefügig. Erst als Brian sich in die Autoverkäuferin Melinda Ledbetter (Elizabeth Banks) zu verlieben beginnt, scheint eine Rückkehr in ein normales Leben wieder möglich zu werden. Doch Landy denkt nicht daran, seinen Einfluss auf Brian aufzugeben …
Nach seinem Regiedebüt „Old Explorers“ aus dem Jahre 1990 hat sich der umtriebige Produzent Bill Pohlad (u.a. „12 Years a Slave“, „Into the Wild“, „The Tree of Life“) für „Love & Mercy“ erst das zweite Mal selbst hinter die Kamera gestellt und sich bei seinem zweistündigen Biopic nur auf zwei wichtige Phasen in Brian Wilsons Leben konzentriert. Nachdem der Aufstieg der Beach Boys im Zeitraffer abgehakt worden ist, setzt der Film Mitte der 1960er ein, als Brian Wilson die Arbeit an dem später hochgelobten Meisterwerk „Pet Sounds“ beginnt. Während Brian seine Brüder und Cousin Mike Love eigentlich nur für die Gesangspart benötigt, heuert er für die Aufnahmen des Materials die besten Studiomusiker an, die seine ausgefallenen Klangexperimente kongenial umzusetzen verstehen.
Seine starken Momente bezieht „Love & Mercy“ hier in den künstlerischen Diskussionen, die Brian mit seinen Brüdern über die musikalische Ausrichtung der Band gezwungen ist zu führen, und in den wunderbar authentisch wirkenden Szenen im Studio, wo Brian auch mal eine komplette Crew wieder nach Hause schickt, weil die Schwingungen im Studio nicht positiv sind. Paul Dano („Prisoners“, „Looper“) portraitiert den von einer künstlerischen Vision getriebenen, aber auch labilen wie zurückhaltenden Ausnahmekünstler großartig. So sehr sich der Zuschauer darüber freuen darf, dass John Cusack („High Fidelity“, „Zimmer 1408“) nicht nur in trashigen Thrillern verheizt wird, sondern endlich mal wieder in einem ernsthaften Film die Hauptrolle übernimmt, wirkt seine Darstellung des älteren, von Medikamenten zugedröhnten Brian Wilson zwangsläufig weniger kraftvoll. Während Paul Giamattis („Sideways“, „The Illusionist“) Rolle des machtbesessenen Psycho-Arztes immer wieder etwas aufgesetzt wirkt, agiert Elizabeth Banks („Pitch Perfect“, „30 Rock“) als Wilsons Love Interest angenehm unaufdringlich und sorgt schließlich für das Happy End in einem Film, der munter zwischen den Zeiten pendelt, aber so immer den coolen Beach-Boys-Soundtrack präsent hält. Dramaturgisch wirkt die Inszenierung zwar nicht immer originell, aber am Ende ist mit „Love & Mercy“ ein faszinierender Einblick in die Persönlichkeit eines ganz großen Musikers entstanden.
"Love & Mercy" in der IMDb

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