Marseille - Staffel 1

Um seine europäische Quote anzuheben, hat der amerikanische Streaming-Sender Netflix mit „Marseille“ eine französische Variante der preisgekrönten Serie „House Of Cards“ und das Schwergewicht Gérard Depardieu ins Rennen geschickt. Doch die acht Folgen der ersten Staffel erschöpfen sich in einem überschaubaren Plot mit nicht allzu überraschenden Intrigen und Verflechtungen zwischen Kapital, politischer Macht, Mafia, Sex und Drogen.
Seit zwanzig Jahren hat der amtierende Bürgermeister Robert Taro (Gérard Depardieu) der Stadt Marseille seinen Stempel aufgedrückt. Zum Abschluss seiner politischen Karriere will Taro aber noch ein Prestige-Projekt umsetzen, mit dem die zweitgrößte Stadt Frankreichs nicht weniger als die Hauptstadt Südeuropas werden soll. Doch das ambitionierte Casino-Projekt am Hafen wird ausgerechnet von seinem politischen Ziehsohn und Stellvertreter Lucas Barrès (Benoît Magimel) torpediert. Das kann und will Taro nicht auf sich sitzen lassen und plant trotz schlechter Umfragewerte, erneut als Bürgermeister zu kandidieren. Auf beiden Seiten beginnt ein skrupelloser Kampf um Stimmen, bei dem viel schmutzige Wäsche gewaschen wird und die Mafia den aufbegehrenden Barrès mit allen Mitteln unterstützt.
Sowohl Taros als Journalistin arbeitende Tochter Julia (Stéphane Caillard) und seine Frau Rachel (Géraldine Pailhas), die als Cellistin unter einer degenerativen Nervenerkrankung leidet und nicht mehr spielen wird können, bleiben von den Vorgängen nicht unberührt. Als Taro herausfindet, warum er von Barrès verraten wurde, verhärten sich die Fronten, dass einige Beteiligte das Ende der Wahl nicht mehr erleben …
Serienschöpfer Dan Franck („Spin - Paris im Schatten der Macht“) und Showrunner Florent-Emilio Siri („Hostage – Entführt“, „Der Feind in den eigenen Reihen - Intimate Enemies“) legen viel Wert darauf, Marseille sowohl mit seinen Luxus-Bauten als auch mit den prekären Vierteln zu präsentieren, wobei die Machtkämpfe in den oberen Gesellschaftsschichten allerdings auf die Gier nach Sex, Einfluss und Geld reduziert werden, während in den Armenvierteln desillusionierte Migranten im Drogenmilieu auf eine bessere Zukunft hoffen.
So interessant der durch Barrès initiierte Vatermord als treibendes Motiv für den Serien-Plot auch ist, beschränken sich Drehbuch und Inszenierung leider nur auf Plattitüden und Klischees. Die Kamerafahrten über der Stadt sind dabei ebenso nichtssagend wie die immer wieder eingestreuten Sexszenen und wenig inspirierten Dialoge. Selbst die emotionaleren Momente wie Julias Umgang mit ihren beiden jungen Verehrern und Rachels Verzweiflung angesichts des nahenden Endes ihrer Musikerkarriere sind so fade inszeniert, dass sie den Zuschauer nicht berühren.
Schnell wird klar, dass der Kandidat am Ende das Rennen zu machen scheint, der am meisten Dreck über seinen Kontrahenten an die Öffentlichkeit bringt und seine eigenen Verfehlungen am besten zu verstecken versteht. Wirklich spannend ist dieses politische Schachspiel selten, aber der Cliffhanger am Ende der ersten Staffel macht Hoffnung, dass die Serie vielleicht doch noch die Kurve bekommt. Das wäre vor allem den bemühten Darstellern zu wünschen, die durch die Drehbücher bislang wenig gefordert waren. Netflix hat immerhin grünes Licht für die Fortsetzung gegeben, die erste Staffel ist nun über Polyband auch auf DVD/Blu-ray erhältlich.
"Marseille" in der IMDb

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