Suburra

Bereits als Regisseur der gefeierten TV-Serien-Adaption des Mafia-Bestsellers „Gomorrha“ hat sich Stefano Sollima ausgiebig und fundiert mit der Inszenierung korrupter Machenschaften in seiner italienischen Heimat vertraut machen können. Mit dem düster-verregneten Epos „Suburra“ dringt er noch tiefer in die korrumpierte Gesellschaft der Mächtigen ein und präsentiert ein ebenso berauschend sinnliches wie brutales Werk.
Der ehrgeizige Parlaments-Abgeordnete Filippo Malgradi (Pierfrancesco Favino) setzt alles daran, ein Prestige-trächtiges Immobilien-Projekt in Ostia durchzusetzen. Als Entspannung von den oft zähen Verhandlungen gönnt sich der Familienvater regelmäßig eine Nacht mit seiner Stamm-Prostituierten Sabrina (Giulia Gorietti), die ihn bei ihren Treffen im Hotel nicht nur mit Drogen, sondern auch sehr jungen Mädchen versorgt.
Als eines Abends dabei aber ein noch minderjähriges Mädchen stirbt, will Malgradi nichts mit der Sache zu tun haben und lässt Sabrina mit der Leiche zurück. Als sie einen Freund, der dem mächtigen Roma-Clan angehört, mit der Entsorgung der Leiche beauftragt, begegnet er Malgradi noch auf dem Hotelflur und erpresst den Abgeordneten. Der hat aber auch Kontakte zur Mafia und lässt den Erpresser durch den ehrgeizigen Gangster Aureliano (Allessandro Borghi) beseitigen, was wiederum zu einem Konflikt mit dem Samurai (Claudio Amendola), dem mächtigen Paten Roms führt, der auf einmal alle Hände voll zu tun hat, sein Revier zu verteidigen …
Ebenso wie Roberto Savianos „Gomorrha“ basiert auch „Suburra“ auf einem Tatsachenroman. Der Journalist Carlo Bonini und der Richter Giancarlo De Cataldo haben bereits mehrere Romane über die Verstrickung von Verbrecherbanden mit der Politik verfasst. In der Filmadaption werden die komplexen Beziehungsgeflechte auf eine Novemberwoche in 2011 und ein zum Glück überschaubares Figuren-Ensemble heruntergebrochen, wobei nicht ein einziger Charakter die Sympathie des Zuschauers gewinnen dürfte.
Malgradi wird als macht- und sexbesessener Karrierist präsentiert, der sich nicht einen Deut um das Schicksal seiner Mitmenschen kümmert und sich nur zu gern vor den Karren der allmächtigen Mafia spannen lässt. Der Vatikan scheint auch involviert zu sein, doch die Tragweite lässt sich allein aus der Rücktrittsabsicht des Papstes erahnen, konkrete Hinweise bleibt die Filmadaption in dieser Hinsicht schuldig. Im Mittelpunkt stehen eher die Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Clans, denen der Samurai zwar vorsteht, dessen Macht aber zunehmend von anderen Gangstern provokativ in Frage gestellt wird.
Dass es dabei nicht bei Wortgefechten bleibt, sondern auch kurzerhand Leichen zurückbleiben, bedarf sicher keiner besonderen Erwähnung. Interessant und wirklich meisterhaft ist Sollima die Inszenierung dieser Machtkämpfe gelungen, die auf eine geheimnisvolle Apokalypse hindeuten, wie eine Zwischenüberschrift proklamiert. Die Reichen und Mächtigen feiern in Edel-Clubs, gönnen sich die schönsten und jüngsten Frauen, kennen keine Hemmungen und Hindernisse bei ihren ambitionierten Zielen. Dagegen geht es in den Reihen der Mafia weitaus familiärer, lauter, ungestümer, brutaler zu, wie vor allem eine Szene eindrucksvoll demonstriert, in der ein Mann im Starkregen brutal vor den brennenden Trümmern seines Hauses gefoltert wird, bis er den Vertrag zur Abtretung seines Grundstücks unterzeichnet.
Bis sich zum wieder stark verregneten Finale die Reihen gelichtet haben, wird das Publikum Zeuge eines beispiellosen Dramas, in dem die Korruption bei kirchlichen Würdenträgern, vom Volk gewählten Parlamentariern und hochrangigen Wirtschaftsvertretern alles durchdringt und in dem Mord zur Tagesordnung gehört. Die Kameraarbeit von Paolo Carnera („Willkommen im Süden“, „Gomorrha“) ist dabei ebenso exquisit wie der elektronische Score von Pasquale Catalano („Barney’s Version“, „Männer al dente“).
"Suburra" in der IMDb

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