The Limits of Control

Wie vielseitig Jim Jarmusch das Thema des Reisens in seinen Filmen verarbeitet hat, ist schon bemerkenswert. In „Mystery Train“ ließ er zwei junge japanische Touristen die Kultstätten des Rock’n’Roll in Elvis‘ Heimatstadt Memphis erkunden, in „Down by Law“ begleitete er drei Flüchtige aus dem Gefängnis, in „Night on Earth“ Taxifahrer in europäischen und amerikanischen Großstädten bei ihren nächtlichen Touren durch verlassene Straßen, während er Johnny Depp in „Dead Man“ als Outlaw wider Willen auf der Flucht vor Auftragskillern an der Seite eines fetten Indianers die Grenzen zwischen Leben und Tod, Alter und Neuer Welt erkunden ließ.
Mit „The Limits Of Control“ setzt sich Jarmusch einmal mehr zwischen alle Stühle und lässt seinen mysteriösen Protagonisten ohne Ziel und ohne eindeutige Mission in Spanien von einem Ort zum anderen reisen. Im Rahmen der von StudioCanal veröffentlichten Box „Jim Jarmusch – The Complete Collection“ zählt der Film sicher zu den schwächeren Werken des außergewöhnlichen Autorenfilmemachers.
Auf dem Flughafen von Madrid zieht sich ein namenloser Farbiger (Isaach de Bankolé) in den Waschräumen um und trifft sich im Wartebereich der Business Class mit zwei Männern, die ihn mit einem geheimnisvollen Auftrag wieder losschicken. Er soll zu den zwei Türmen gehen und in einem Café drei Tage lang auf die Geige warten. Am Ziel angekommen, bestellt sich der wortkarge Mann im maßgeschneiderten Anzug zwei Tassen Espresso und bekommt schließlich von einem Mann mit einem Geigenkasten eine Streichholzschachtel überreicht. Nach einem kurzen Monolog über Musik geht der vermeintliche Musiker wieder seiner Wege, während unser Mann die Instruktionen auf dem Zettelchen in der Schachtel liest und zum nächsten Ort fährt. Dieses Prozedere wiederholt sich in unterschiedlichen Variationen. Immer wieder trifft sich der Mann in einem Café (und zur Abwechslung auch mal in einem Zug) mit geheimnisvollen Menschen, mit denen er Streichholzschachteln austauscht und die ihn über ihre Ansichten zur Kunst, zu Molekülen, zum wirklichen Lauf der Dinge auf der Welt aufklären. Der Mann gibt selten Kommentare zu dem ab, was ihm da vorgetragen wird. Er nimmt nur die Instruktionen entgegen und lebt nach strengen Regeln, während er einen Job ausführt: kein Sex, kein Mobiltelefon, keine Ablenkung. Auf diese Weise reist er von Stadt zu Stadt …
Er wirkt ein wenig wie Ghost Dog, wie ein Mann, der nach einem strengen Kodex lebt und arbeitet, der in meditativem Einklang mit sich selbst am Rande der gesellschaftlichen Konformität und Konvention von einem Auftrag zum nächsten lebt. Im Gegensatz zu „Ghost Dog“ findet die Reise des namenlosen Farbigen in Jim Jarmuschs zehnten Werk „The Limits of Control“ allerdings kein Ende und dient scheinbar auch keinem klar erkennbaren Zweck. In dieser Hinsicht ähnelt der Film dem 1980 entstandenen Erstlingswerk von Jarmusch, „Permanent Vacation“.
Schon damals erzählte er keine konventionelle Geschichte, sondern begleitete mit seiner Kamera den Alltag seines am Rande der Gesellschaft lebenden Protagonisten, der ohne Ziel im Leben von Tag zu Tag dahintrieb. In „The Limits of Control“ erweckt Jarmusch zunächst den Eindruck, einen Thriller zu präsentieren, aber spätestens bei dem ersten Zusammentreffen mit der nächsten Kontaktperson wird dem Zuschauer klar, dass er sich im vertrauten Jarmusch-Universum befindet, wo nichts so ist, wie wir es gewohnt sind zu sehen. Mit den Metaphern von Spiegeln und Wiederholungen kreiert Jarmusch eine Metaebene, die der fehlenden Dramaturgie etwas gegenüberstellt, das sich nur intellektuell erfassen lässt. Mehr noch als alle seine vorangegangenen Werke ist „The Limits of Control“ gepflegt am Mainstream-Publikum vorbei produziert worden, und so wird es allein den Cineasten vergönnt bleiben, sich an den Kurzauftritten bekannter Jarmusch-Akteure (Tilda Swinton, Bill Murray, John Hurt) und an dem ungewöhnlich gefälligen Soundrack zu erfreuen.
"Limits of Control" in der IMDb

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