Das süße Leben

Nachdem Federico Fellini für seine Meisterwerke „La Strada“ (1954) und „Die Nächte der Caribia“ (1957) jeweils einen Oscar für den besten fremdsprachigen Film erhalten hatte, schöpfte er für „Das süße Leben“ (1960) aus dem Vollen, machte in dem knapp dreistündigen Kommentar auf den Verlust religiöser Werte und die sinnentleerte Dekadenz von Möchtegern-Künstlern Marcello Mastroianni zum Star und schuf mit Anita Ekbergs sinnlichen Bad im Trevi-Brunnen eine der denkwürdigsten Szenen der Filmgeschichte. Nun ist die aufwendig restaurierte Fassung von „Das süße Leben“ mit neun weiteren Filmen in der neuen „Federico Fellino“-Edition von Arthaus/StudioCanal erhältlich.
Eigentlich ist Marcello Rubini (Marcello Mastroianni) von der Provinz nach Rom gekommen, um ein bedeutender Schriftsteller wie sein Freund Steiner (Alain Cuny) zu werden, stattdessen beobachtet er jeden Abend das rege Treiben der Schickeria auf der Via Veneto auf der Suche nach der nächsten großen Klatschgeschichte und dem nächsten Liebesabenteuer. Auf einer Party lernt er die reiche und schöne, aber auch gelangweilte Maddalena (Anouk Aimée) kennen, die er mit in die schäbige und überflutete Wohnung einer Prostituierten nimmt, wo er die Nacht mit ihr verbringt. Zwar gesteht sie Marcello ihre Liebe, könne ihm aber nicht treu sein, weil sie eine Hure sei.
Nach dieser unerfüllten Episode tritt mit der sinnlich-schönen Schauspielerin Sylvia (Anita Ekberg) bereits die nächste prominente Frau in Marcellos Leben. Völlig fasziniert folgt er ihr nach ihrem Blitzlichtgewitter der Paparazzi am Flughafen die Treppen hinauf in den Petersdom, folgt ihr durch Rom und trifft sie am Trevi-Brunnen wieder, wo er sich völlig verzückt nach einem Kuss und letztlich nach dem großen Glück sehnt, das wiederum zu einem abrupten Ende kommt, diesmal durch einen Boxhieb von Sylvias betrunkenen amerikanischen Verlobten Robert (Lex Barker). Dabei ist Marcello selbst verlobt, doch hat er längst das Interesse an Emma (Yvonne Furneaux) verloren, die alles versucht, Marcello an sich zu binden, aber ihr Scheitern letztlich mit Tabletten zu betäuben versucht. Wirklich ernsthaft verfolgt Marcello seine schriftstellerischen Ambitionen nicht. So lässt er sich in einer Trattoria von einer jungen Bedienung ablenken, der er am Ende noch einmal am Strand begegnet …
Mit „Das süße Leben“ richtet Fellini den leicht amüsierten Blick auf die Dekadenz und Sündhaftigkeit der Schickeria in Rom. Bereits die gelungene Eröffnungssequenz, in der ein Hubschrauber mit eine Jesusskulptur über die Stadt fliegt, symbolisiert die Gottlosigkeit in der Welt, wie sie in dem ausschweifenden, von nichtssagender Unterhaltung, Lust und Skandalen geprägten Leben der Schönen und Reichen zum Ausdruck kommt. Auch der Presserummel um eine Madonna, die zwei ärmlichen Kindern erschienen sein soll, macht eindrucksvoll deutlich, wie sehr sich die Menschen nach göttlicher Erlösung sehnen, die in diesem Fall von einem heftigen Sommerregen weggespült wird. Unter diesen Umständen kommen weder der ambitionierte Schriftsteller Steiner mit seiner reizenden Familie noch der nach der nächsten großen Schlagzeile und Liebesaffäre jagende Marcello zu ihrem Glück. Während Steiner daran zerbricht, dass er in einer fest verankerten und voll durchorganisierten Existenz nicht mehr frei ist, erfährt Marcello in den attraktiven, aber oberflächlichen Frauenbildern nur flüchtige Glücksmomente.
© StudioCanal
Obwohl in „Das süße Leben“ attraktive Frauen die Blicke auf sich ziehen, verschwinden sie jeweils ebenso schnell, wie sie aufgetaucht sind. Ihr gutes Aussehen schützt sie nicht vor Langeweile und Unglück. Stets im Mittelpunkt steht dafür der Klatschreporter Marcello, der von Marcello Mastroianni (der ursprüngliche Produzent Dino De Laurentiis hatte erst Paul Newman für diese Rolle vorgeschlagen) so überzeugend verkörpert wurde, dass er später zu Fellinis Alter Ego werden sollte. Bezeichnend für die Oberflächlichkeit in seinem Leben ist auch Marcellos Wiedersehen mit seinem Vater (Annibale Ninchi), der mehr an einem Unterhaltungsprogramm als am Leben seines Sohnes interessiert ist und ebenso überstürzt abreist, wie die Frauen aus Marcellos Leben verschwinden. Obwohl der Film mit starken Symbolen spielt, hält sich Fellini mit allzu kritischen Kommentaren auf die Bedeutungslosigkeit und Dekadenz der Schönen, Reichen und Möchtegern-Künstler und -Intellektuellen vornehm zurück, so dass der Zuschauer selbst entscheiden kann, was er mit diesem Sittengemälde anfängt. Dass „Das süße Leben“ vor allem bei der katholischen Kirche nicht gut ankam und auch in anderen gesellschaftlichen Lagen kontrovers aufgenommen wurde, befeuerte nur seinen internationalen Erfolg, der durch einen Oscar für das beste Kostümdesign und drei weitere Nominierungen für das beste Drehbuch, die beste Regie und das beste Szenenbild gekrönt wurde.
"Das süße Leben" in der IMDb

Kommentare

Beliebte Posts