La strada - Das Lied der Straße

Bereits in seinem Regiedebüt „Lichter des Varieté“ (1950) hat sich Federico Fellini einer reisenden Artisten-Truppe gewidmet, die noch mit dem Zug von Stadt zu Stadt reiste. Zwar floppte der Film an den Kinokassen, doch spätestens mit „Die Müßiggänger“ (1953) präsentierte sich Fellini als stilsicherer und subtiler Filmemacher, der für größere Aufgaben berufen schien. Mit „La strada – Das Lied der Straße“ (1954) kehrte Fellini zum Thema der umherziehenden Künstler zurück und begann, sich vom Neorealismus abzuwenden und sich symbolträchtigen Geschichten um gesellschaftliche Außenseiter zuzuwenden.
Das naive Bauernmädchen Gelsomina (Giulietta Masina), das weder durch sein Aussehen noch durch besondere Fähigkeiten auffällt, wird von seiner Mutter (Marcella Rovere) für 10.000 Lire an den ebenso starken wie gefühllosen Artisten Zampanò (Anthony Quinn) verkauft, damit sie der armen Familie nicht weiter zur Last fällt und etwas lernen kann. Mit seinem Dreiradwagen zieht Zampanò durch die Lande und führt den Dorfbewohnern auf dem Marktplatz vor, wie er allein durch Anspannung seiner Brustmuskeln und Ausdehnung der Lungen eine Eisenkette sprengt.
Die wenigen Münzen, die dabei in der herumgehenden Mütze landen, reichen kaum, ihn und seine Begleiterin, die nicht mal kochen kann, zu ernähren. Er lehrt sie das Trommeln und Trompeten, dass sie ihn bei den Vorstellungen als „den großen Zampanò“ ankündigen kann, doch seine gefühllose Art stößt Gelsomina so stark ab, dass sie zu fliehen versucht. Obwohl Zampanò sie schlägt, bleibt sie bei ihm – bis sie in einem Wanderzirkus auf den sympathischen, wenn auch großmäuligen Seiltänzer Il Matto (Richard Basehart) trifft, der ihr ungewohnte Aufmerksamkeit schenkt, aber auch Zampanòs Zorn auf sich zieht …
Mit der sentimentalen Eröffnungsszene inszeniert Fellini den großen Abschied, die Trennung eines naiven Mädchens von seiner Familie, weg von dem fürsorglichen Schoß der Mutter in eine ungewisse Zukunft mit einem Mann, der von Beginn an wenig Interesse an der jungen Frau zeigt. Tatsächlich behandelt Zampanò Gelsomina wie eine einfache Bedienstete, für die er nicht die geringste Zuneigung zeigt. Gegensätzlicher könnten sie nicht sein, der wortkarge, finster dreinblickende Kraftprotz und das unsichere, sich nach Liebe und Aufmerksamkeit sehnende Mädchen mit den großen Augen und der zerfransten jungenhaften Frisur. Indem sie ihr Talent als geschminkter Clown entdeckt, vermag Gelsomina dem Gefängnis ihres Daseins für einige glückliche Momente entfliehen, während „der große Zampanò“ zwar seine eigenen Ketten sprengt, seine Gehilfin aber wie eine Gefangene hält. Als der übermütige Seiltänzer Matto in ihr Leben tritt, verändert sich die Beziehung zwischen den beiden, denn erst am tragischen Ende der Geschichte stellt Zampanò fest, was Gelsomina für ihn bedeutete.
© StudioCanal
Nachdem Quinn, Masino und Basehart bereits in „Die Verrufenen“ (1953) zusammen vor der Kamera standen, stellen sie auch in Fellinis „La strada“ ein wunderbar funktionierendes Ensemble dar, das auf symbolträchtige Weise über das Schicksal einsamer Menschen sinniert, die an ungewöhnlichen Orten ihr Glück zu finden versuchen. Vor allem Giulietta Masinas gefühlvolle, immer wieder zwischen melancholischer Verzweiflung und hoffnungsvoller Sehnsucht schwankender Darstellung bleibt hier im Gedächtnis, aber auch Fellinis Inszenierung der trostlosen Orte mit gekonnten Wechseln zwischen stillen und lebhaften Momenten und Nino Rotas grandioser Filmmusik machen „La strada“ zu einem Meisterwerk, das mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film prämiert wurde und nun in einer neuen „Federico Fellini“-Edition von Arthaus/StudioCanal zusammen mit neun weiteren Filmen des begnadeten Regisseurs erhältlich ist.
"La strada - Das Lied der Straße" in der IMDb

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