Flags of Our Fathers
In seiner zwölften Regiearbeit „Heartbreak Ridge“ (1986) hat Clint Eastwood seinen ersten Beitrag zum Kriegsfilm-Genre geleistet. Zwanzig Jahre später engagierte er sich für ein Großprojekt, für den er sogar seinen zugkräftigen Kollegen Steven Spielberg als Co-Produzenten gewinnen konnte: Mit gleich zwei jeweils über zweistündigen Filmen thematisierte er die Schlacht um die japanische Pazifikinsel Iwojima aus unterschiedlichen Perspektiven. Während „Letters from Iwo Jima“ die Geschichte aus japanischer Sicht erzählt, wird in „Flags of Our Fathers“ die amerikanische Heldenverehrung entzaubert.
Als am 19. Februar 1945 zwei Divisionen des 5. Amphibischen US-Corps mit 30.000 Soldaten auf der strategisch bedeutsamen, tausend Kilometer südlich von Tokyo liegenden Vulkaninsel Iwojima landen, müssen die US-Streitkräfte zunächst herbe Verluste hinnehmen, denn der japanische Feind nimmt sie aus unterirdischen, gut getarnten Deckungen unter Beschuss. Doch der zahlen- und kampfkraftmäßig haushoch überlegenden US-Armee haben die insgesamt 20.000 japanischen Soldaten letztlich nicht viel entgegenzusetzen. Wenige Tage nach der Landung auf der Insel stürmen die Amerikaner den höchsten Punkt auf der Insel und hissen am 23. Februar 1945 auf dem Vulkan Suribachi die amerikanische Flagge. Als den militärischen und politischen Führern bewusst wird, welch propagandataugliche Wirkung diese symbolträchtige Geste ausüben wird, sichert sich ein General die gerade aufgehängte Flagge und beordert einen zweiten Trupp, eine Ersatzflagge zu hissen. Diesmal wird der Akt von Associated-Press-Fotograf Joe Rosenthal für die Ewigkeit festgehalten. Als das Bild siebzehn Stunden später um die Welt geht und auf den Titelseiten der US-amerikanischen Tageszeitungen abgedruckt wird, werden die drei Überlebenden der Fahnengruppe - der Sanitäter John „Doc“ Bradley (Ryan Phillippe), der Indianer Ira Hayes (Adam Beach) und der Melder Rene Gagnon (Jesse Bradford) - nach Hause geschickt, um auf einer Promotiontour durch die amerikanischen Großstädte ihre Geschichte zu erzählen und Spendengelder einzutreiben, denn das Schatzamt macht den drei Helden unmissverständlich klar, dass der Armee satte 14 Milliarden Dollar fehlen, um den Krieg weiterführen zu können. Doch am Rande der Veranstaltungen werden Risse in der verbreiteten Heldengeschichte deutlich, als an der Identität der Fahnenaufsteller gezweifelt wird …
Warum sich Eastwood die Unterstützung seines Freundes Steven Spielberg für sein ambitioniertes Doppel-Filmprojekt gesichert hat, wird bereits in den ersten Momenten von „Flags of Our Fathers“ deutlich, denn die Landung der amerikanischen Truppe an der Küste von Iwojima zeigt sich von Spielbergs ähnlich inszenierter Szene in „Der Soldat James Ryan“ inspiriert und wartet dabei mit einigen grausamen Bildern auf, die – unnötigerweise - die Schrecken des Krieges vor Augen führen. Allerdings folgt Eastwood bei der Verfilmung von James Bradleys Buch „Flags of Our Fathers“ keiner stringenten Dramaturgie, sondern würfelt Zeitebenen und Orte munter durcheinander. Die Ereignisse auf Iwojima, die zu der neu entfachten Begeisterung bei der kriegsmüde gewordenen amerikanischen Bevölkerung geführt haben, werden immer wieder als Rückblick der einzelnen Protagonisten in die verschiedenen Rahmenhandlungen eingebettet. Die besteht nämlich aus den Recherchen und Interviews, die „Doc“ Johns Vater James Bradley (Tom McCarthy) zu seinem Buch durchführt, so dass auch die Erinnerungen der Männer zur Sprache kommen, die die Wege der drei vermeintlichen Helden gekreuzt haben. Interessanter als die geschilderten Kriegsereignisse, die den Konventionen des Genres folgen, sind die Ereignisse, die die Heimkehr der drei überlebenden Fahnenhisser überschatten. Hier macht Eastwood deutlich, wie das Bild von Helden entsteht. Statt die armen Männer zu verehren, die auf dem Schlachtfeld ihr Leben gelassen haben, rücken nur jene Männer ins Rampenlicht, die bei einer inszenierten Nachstellung der ursprünglichen Aufstellung der amerikanischen Flagge fotografiert worden sind – ohne dass dabei ihre Gesichter auf dem Foto zu erkennen sind. Dieser Umstand hat vor allem bei den Hinterbliebenen für Unsicherheit gesorgt, und die Begegnung der gefeierten Helden mit den Müttern ihrer verstorbenen Kameraden gehören zu den eindringlichsten des Films. Vor allem macht Eastwood mit seinem Film deutlich, wie schnell sich Mythen in die Welt setzen lassen und wie leicht sich die Massen manipulieren lassen, wenn sie nur Helden präsentiert bekommen, zu denen sie – wenn auch nur kurz - aufblicken können.
Auf der anderen Seite müssen Bradley, Hayes und Gagnon die Schattenseiten des Ruhms kennenlernen. Der Indianer Hayes steht die Promotiontour nur in betrunkenem Zustand durch und endet als einfacher Feldarbeiter, während Renes Jugendfreundin Belle Block (Judith Ivey) die Chance ergreift und sich bei seiner Ankunft in der Heimat gleich vor den Medien als seine Freundin vorstellt. Rene selbst gelingt es aber nicht, aus dem Ruhm Kapital zu schlagen, und bekommt am Ende nur einen Job als Hausmeister.
So sehr sich Eastwood vor allem auf die Schicksale der drei Fahnenhisser konzentriert, verliert er durch die häufigen Sprünge zwischen Zeiten, Orten und Figuren doch die dramaturgische Spannung und den Faden der ansonsten stark inszenierten Geschichte. Sicher hätte die Geschichte eine größere Strahlkraft gehabt, wenn Eastwood die Hauptrollen mit ausdrucksstärkeren Mimen besetzt hätte, doch die Art und Weise, wie der Regisseur einerseits den Kameradschaftsgeist der amerikanischen Soldaten beschwört, andererseits die medial inszenierte Heldenverehrung entmystifiziert, macht den eindrucksvoll von Tom Stern („Mystic River“, „Der fremde Sohn“) in ausgeblichenen Bildern fotografierten Anti-Kriegsfilm sehenswert.
"Flags of Our Fathers" in der IMDb
Als am 19. Februar 1945 zwei Divisionen des 5. Amphibischen US-Corps mit 30.000 Soldaten auf der strategisch bedeutsamen, tausend Kilometer südlich von Tokyo liegenden Vulkaninsel Iwojima landen, müssen die US-Streitkräfte zunächst herbe Verluste hinnehmen, denn der japanische Feind nimmt sie aus unterirdischen, gut getarnten Deckungen unter Beschuss. Doch der zahlen- und kampfkraftmäßig haushoch überlegenden US-Armee haben die insgesamt 20.000 japanischen Soldaten letztlich nicht viel entgegenzusetzen. Wenige Tage nach der Landung auf der Insel stürmen die Amerikaner den höchsten Punkt auf der Insel und hissen am 23. Februar 1945 auf dem Vulkan Suribachi die amerikanische Flagge. Als den militärischen und politischen Führern bewusst wird, welch propagandataugliche Wirkung diese symbolträchtige Geste ausüben wird, sichert sich ein General die gerade aufgehängte Flagge und beordert einen zweiten Trupp, eine Ersatzflagge zu hissen. Diesmal wird der Akt von Associated-Press-Fotograf Joe Rosenthal für die Ewigkeit festgehalten. Als das Bild siebzehn Stunden später um die Welt geht und auf den Titelseiten der US-amerikanischen Tageszeitungen abgedruckt wird, werden die drei Überlebenden der Fahnengruppe - der Sanitäter John „Doc“ Bradley (Ryan Phillippe), der Indianer Ira Hayes (Adam Beach) und der Melder Rene Gagnon (Jesse Bradford) - nach Hause geschickt, um auf einer Promotiontour durch die amerikanischen Großstädte ihre Geschichte zu erzählen und Spendengelder einzutreiben, denn das Schatzamt macht den drei Helden unmissverständlich klar, dass der Armee satte 14 Milliarden Dollar fehlen, um den Krieg weiterführen zu können. Doch am Rande der Veranstaltungen werden Risse in der verbreiteten Heldengeschichte deutlich, als an der Identität der Fahnenaufsteller gezweifelt wird …
Warum sich Eastwood die Unterstützung seines Freundes Steven Spielberg für sein ambitioniertes Doppel-Filmprojekt gesichert hat, wird bereits in den ersten Momenten von „Flags of Our Fathers“ deutlich, denn die Landung der amerikanischen Truppe an der Küste von Iwojima zeigt sich von Spielbergs ähnlich inszenierter Szene in „Der Soldat James Ryan“ inspiriert und wartet dabei mit einigen grausamen Bildern auf, die – unnötigerweise - die Schrecken des Krieges vor Augen führen. Allerdings folgt Eastwood bei der Verfilmung von James Bradleys Buch „Flags of Our Fathers“ keiner stringenten Dramaturgie, sondern würfelt Zeitebenen und Orte munter durcheinander. Die Ereignisse auf Iwojima, die zu der neu entfachten Begeisterung bei der kriegsmüde gewordenen amerikanischen Bevölkerung geführt haben, werden immer wieder als Rückblick der einzelnen Protagonisten in die verschiedenen Rahmenhandlungen eingebettet. Die besteht nämlich aus den Recherchen und Interviews, die „Doc“ Johns Vater James Bradley (Tom McCarthy) zu seinem Buch durchführt, so dass auch die Erinnerungen der Männer zur Sprache kommen, die die Wege der drei vermeintlichen Helden gekreuzt haben. Interessanter als die geschilderten Kriegsereignisse, die den Konventionen des Genres folgen, sind die Ereignisse, die die Heimkehr der drei überlebenden Fahnenhisser überschatten. Hier macht Eastwood deutlich, wie das Bild von Helden entsteht. Statt die armen Männer zu verehren, die auf dem Schlachtfeld ihr Leben gelassen haben, rücken nur jene Männer ins Rampenlicht, die bei einer inszenierten Nachstellung der ursprünglichen Aufstellung der amerikanischen Flagge fotografiert worden sind – ohne dass dabei ihre Gesichter auf dem Foto zu erkennen sind. Dieser Umstand hat vor allem bei den Hinterbliebenen für Unsicherheit gesorgt, und die Begegnung der gefeierten Helden mit den Müttern ihrer verstorbenen Kameraden gehören zu den eindringlichsten des Films. Vor allem macht Eastwood mit seinem Film deutlich, wie schnell sich Mythen in die Welt setzen lassen und wie leicht sich die Massen manipulieren lassen, wenn sie nur Helden präsentiert bekommen, zu denen sie – wenn auch nur kurz - aufblicken können.
Auf der anderen Seite müssen Bradley, Hayes und Gagnon die Schattenseiten des Ruhms kennenlernen. Der Indianer Hayes steht die Promotiontour nur in betrunkenem Zustand durch und endet als einfacher Feldarbeiter, während Renes Jugendfreundin Belle Block (Judith Ivey) die Chance ergreift und sich bei seiner Ankunft in der Heimat gleich vor den Medien als seine Freundin vorstellt. Rene selbst gelingt es aber nicht, aus dem Ruhm Kapital zu schlagen, und bekommt am Ende nur einen Job als Hausmeister.
So sehr sich Eastwood vor allem auf die Schicksale der drei Fahnenhisser konzentriert, verliert er durch die häufigen Sprünge zwischen Zeiten, Orten und Figuren doch die dramaturgische Spannung und den Faden der ansonsten stark inszenierten Geschichte. Sicher hätte die Geschichte eine größere Strahlkraft gehabt, wenn Eastwood die Hauptrollen mit ausdrucksstärkeren Mimen besetzt hätte, doch die Art und Weise, wie der Regisseur einerseits den Kameradschaftsgeist der amerikanischen Soldaten beschwört, andererseits die medial inszenierte Heldenverehrung entmystifiziert, macht den eindrucksvoll von Tom Stern („Mystic River“, „Der fremde Sohn“) in ausgeblichenen Bildern fotografierten Anti-Kriegsfilm sehenswert.
"Flags of Our Fathers" in der IMDb
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