Perfect World

Nachdem Clint Eastwood seine langjährige Regie-Karriere mit seinen ersten Oscar-Auszeichnungen für den Spät-Western „Erbarmungslos“ (1992) gekrönt hatte, präsentierte er darauf mit „Perfect World“ ein Road-Movie-Kriminal-Drama, in dem Kevin Costner nicht nur erfolgreich gegen sein Sunnyboy-Image anspielte, sondern auch in eindrucksvollen Bildern demonstrierte, dass der beerdigte Western durchaus seine Spuren im modernen Road Movie hinterlassen hat.
1962 brechen Butch Haynes (Kevin Costner) und Terry Pugh (Keith Szarabajka) aus dem texanischen Gefängnis in Huntsville aus, dringen auf ihrer Flucht abends in das Haus der alleinerziehenden Mutter Gladys Perry (Jennifer Griffin) ein und nehmen nach einer Auseinandersetzung mit dem eingreifenden Nachbarn schließlich ihren achtjährigen Sohn Phillip (T.J. Lowther) als Geisel. Nachdem sich Butch seines ebenso rauen wie ungeliebten Kompagnons entledigt hat, setzen Butch und Phillip ihre Reise allein im gestohlenen Buick fort. Dabei entwickelt sich der ebenfalls früh von seinem Vater verlassene Butch für den ohne Vater aufgewachsenen Zeugen-Jehovas-Jungen zu einem Ersatzvater, der ihm nicht nur das Autofahren und den Umgang mit einer Pistole beibringt, sondern ihn auch für seinen Plan begeistert, nach Alaska, dem letzten Reich der Pioniere, zu gehen, von wo Butchs Vater eine Postkarte an seinen Sohn geschickt hatte. Doch seit seinem Ausbruch hat sich der Texas Ranger Chief Red Garnett (Clint Eastwood) im Airstream Overlander des Gouverneurs an die Verfolgung des Flüchtigen gemacht. Red hatte damals als Gutachter dafür gesorgt, dass Butch für ein relativ harmloses Verbrechen ins Gefängnis musste, und muss sich dabei auf ausdrücklichen Wunsch des Gouverneurs mit der FBI-Kriminologin Sally Gerber (Laura Dern) und dem hitzköpfigen FBI-Agenten Bobby Lee (Bradley Whitford) herumschlagen.
Zwar gelingt es den Flüchtigen, immer wieder einen Unterschlupf und Mitfahrgelegenheiten zu finden, doch Red und das FBI ziehen die Schlinge um Butch immer enger zu …
Nach einem Drehbuch von John Lee Hancock („Mitternacht im Garten von Gut und Böse“, „Snow White and the Huntsman“) hat Clint Eastwood mit „Perfect World“ ein atmosphärisch stimmiges Krimi-Drama inszeniert, das im Jahr vor dem tödlichen Attentat auf John F. Kennedy spielt und so eine ebenso persönliche wie eindringliche Sichtweise auf den vor allem in Texas extrem liberal gehandhabten Schusswaffengebrauch gewährt. Eastwood verzichtet dabei überwiegend auf allzu drastische Gewaltexplosionen, die er – wenn sie dramaturgisch notwendig werden – oftmals nur im Off stattfinden lässt. Vor allem sorgt die ambivalent angelegte und von Kevin Costner („Der mit dem Wolf tanzt“, „Waterworld“) grandios verkörperte Figur des flüchtigen Verbrechers Butch dafür, in Hinsicht der ausgeübten Gewalt nicht in Schwarz-Weiß-Kategorien zu denken. Zwar scheint Butch, wie ihm auch von seinen Mitmenschen immer wieder bescheinigt wird, eigentlich ein guter Mensch zu sein, aber wenn er Zeuge wird, wie Kinder verprügelt oder lautstark gemaßregelt werden, greift er selbst gern zu drastischen Vergeltungsmaßnahmen, die auch seinem jungen Begleiter Angst machen.
Überhaupt hat „Perfect World“ im Zusammenspiel des Flüchtigen und seiner jungen Geisel seine stärksten Momente, und Eastwood nimmt sich viel Zeit, die Beziehung zwischen den beiden jeweils ohne Vater aufgewachsenen Flüchtenden zu charakterisieren, wobei er auch an humorvollen Elementen nicht spart. Nicht nur Butch hat seine Freude daran, wenn er seine strenggläubig erzogene Geisel ein Halloween-Kostüm stehlen lässt und ihm die Aussicht verspricht, in Zukunft auch verbotene Sachen wie Zuckerwatte zu genießen. Neben diesem sehr persönlichen Aspekt geht es in „Perfect World“ natürlich auch um die Auseinandersetzung mit der Gewalt. Während Butch nur Gewalt anwendet, um Schaden von den Kindern abzuwenden, die von ihren Vätern geschlagen werden oder Bedrohung für Phillip darstellen, sind die Vertreter von Staatspolizei und FBI vom Gesetz her befugt, Waffengewalt nach eigenen Ermessen anzuwenden. Dass die Welt in dieser Hinsicht nicht ganz so perfekt ist, macht Eastwood in dem emotional aufgeladenen, etwas arg in die Länge gezogenen Finales deutlich. Dazu sorgen die wunderschönen Landschaftsbilder in Cinemascope, das stimmige 60er-Jahre-Setting und die gut aufgelegten Darsteller dafür, dass „Perfect World“ dem Zuschauer lange im Gedächtnis bleibt.
"Perfect World" in der IMDb

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