Schnee, der auf Zedern fällt

Die Idylle des beschaulichen Küstenstädtchens San Piedro wird im Jahr 1954 empfindlich gestört, als Fischer die Leiche ihres Kollegen Carl Heiner in ihrem Netz finden. Dem gutmütigen Sheriff Art Moran (Richard Jenkins) ist sichtlich unwohl, den seltenen Fall eines Todes zu untersuchen, bei dem geklärt werden muss, ob es sich um einen Unfall oder Mord handelt. Der Gerichtsmediziner ist jedenfalls schnell mit einer Erklärung zur Hand: Die auffällige Wunde hinter dem Ohr des Toten weist ganz klar auf eine japanische Waffe hin, wie sie beim Kendo verwendet wird. Und damit benennt der Kriegsveteran eine Apathie, die von vielen in San Piedro geteilt wird, denn die Schmach des japanischen Überraschungsangriffs auf Pearl Harbor sitzt noch tief.
Da ist mit Kabuo Miyamoto (Rick Yune) schnell ein Verdächtiger gefunden: Der Sohn japanischer Einwanderer und Jugendfreund des Toten wollte von Carl das Land zurückkaufen, das seine Eltern damals den Heines abgekauft haben. Wegen der Internierung durch die Amerikaner bleiben die Miyamotos aber die letzten zwei Raten schuldig, weshalb das Land an die ursprünglichen Besitzer zurückfiel. Carl wollte sich den Handel überlegen, doch bevor es zu einer Entscheidung kam, wurde er tot aus dem Meer geborgen. Der junge Reporter Ishmael Chambers (Ethan Hawke) wohnt dem Prozess mit gemischten Gefühlen bei, denn bei der schönen Frau des Angeklagten handelt es sich um seine große Jugendliebe Hatsue (Youki Kudoh), deren Verlust er bis heute nicht verwunden hat. Ihm ist nämlich durchaus bewusst, dass seine Berichterstattung den Ausgang des Prozesses beeinflussen kann.
Immer wieder erinnert sich Ishmael an die glückseligen Momente der zarten, aber verbotenen Liebe. Denn vor allem Hatsues Familie legte sehr viel Wert darauf, dass das Mädchen einen Japaner heiratet. Also trafen sich die beiden Kinder immer in der ausgehöhlten Wurzel einer mächtigen Zeder oder verbrachten unbeschwerte Stunden am Strand - bis Hatsue Ishmael in einem Brief mitteilte, dass sie das Verhältnis leider beenden müsse.
Doch Ishmael erinnert sich auch an seinen übermächtigen Vater (Sam Shepard), der als integrer Zeitungsmacher sich nie von den feindseligen Stimmungen unter San Piedros Einwohnern gegen die Japaner abhängig machen ließ und deshalb auf so manch guten Anzeigenkunden und Abonnenten verzichten musste. Ishmael hatte nie das Gefühl, aus dem Schatten seines verstorbenen Vaters heraustreten zu können, doch Miyamotos kauziger Anwalt Nels Gudmundsson (Max von Sydow) bringt Ishmael schließlich dazu, das Richtige zu tun.
Scott Hicks („Shine“, „Hearts In Atlantis“) wagte sich an die kaum überzeugend zu bewältigende Aufgabe, den preisgekrönten Bestseller „Schnee, der auf Zedern fällt“ von David Guterson zu verfilmen. Immerhin musste er die komplexe Geschichte, die immer wieder durch Rückblenden um ihre wesentlichen Einzelkomponenten ergänzt wird, auch noch als stimmige Genre-Mixtur zwischen Gerichts-Drama und schmerzvoller Romanze anlegen. Bei dieser schweren Herausforderung half ihm allerdings ein grandioses Darsteller-Ensemble, das bis in die Nebenrollen zu überzeugen vermag. Dazu sorgten die überirdisch schönen Bilder von Robert Richardson (der für seine Arbeit zu Recht für einen Oscar nominiert wurde) für einen visuellen Zauber, dessen Sog man sich einfach nicht entziehen kann. Und schließlich schuf Komponist James Newton Howard seinen bis dato ergreifendsten Score, der das wundervolle Gesamtkunstwerk genial abrundet. 
"Schnee, der auf Zedern fällt" in der IMDb

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