Vor ihren Augen

Bei der Oscar-Verleihung 2010 gewann der Psychothriller „The Secret in their Eyes“ von dem argentinischen Regisseur Juan José Campanella („Der Sohn der Braut“) den Academy Award für den besten fremdsprachigen Film. Damit erregte der Film offenbar in Hollywood genug Aufsehen, dass ein Remake für das amerikanische Publikum in Frage kam. Allerdings kommt Billy Rays Neuverfilmung „Vor ihren Augen“, den Universal nun auf DVD/Blu-ray veröffentlicht, trotz der Starbesetzung mit Julia Roberts, Nicole Kidman und Chiwetel Ejiofor kaum über das Genre-Mittelmaß hinaus.
Vor dreizehn Jahren entdeckte der FBI-Ermittler Ray (Chiwetel Ejiofor) im Rahmen einer Moschee-Überwachung die Leiche von Carolyn (Zoe Graham), der Tochter seiner Kollegin Jess (Julia Roberts). Doch auch die eng mit ihnen zusammenarbeitende Bezirksstaatsanwältin Claire (Nicole Kidman) konnte nicht verhindern, dass der mutmaßliche Täter weiter auf freiem Fuß bleiben durfte, weil er für die Antiterror-Einheit des FBI, für die Ray und Jess tätig gewesen sind, ein wichtiger Informant darstellte.
Nach diesem Fiasko ließ sich Jess in eine andere Dienststelle versetzen, Ray ermittelte fortan in der Privatwirtschaft, während Claire weiterhin Karriere in der Staatsanwaltschaft machte. Nun stößt Ray unvermittelt auf eine neue Spur und wendet sich an seine früheren Weggefährten, um den Fall noch einmal aufzurollen. Diesmal will das Trio alles richtigmachen, doch bereits die Identifizierung des damaligen Täters erweist sich nach 13 Jahren als schwierig …
Vor allem als Drehbuchautor („Flightplan“, „State of Play“, Oscar für „Captain Phillips“) hat sich Billy Ray bislang einen Namen gemacht und dabei auch die Skripte für seine beiden bisherigen Regie-Arbeiten „Lüge und Wahrheit – Shattered Glass“ (2003) und „Enttarnt – Verrat auf höchster Ebene“ (2007) verfasst. Für seinen dritten Film auf dem Regiestuhl konzentriert sich Ray zunächst auf den Kampf gegen den Terror, der Priorität gegenüber allen anderen Verbrechen genießt. Für die beiden FBI-Agenten Ray und Jess rückt diese Sichtweise bei dem sehr persönlichen Unglück, dass Jess durch den Mord an ihrer Tochter erfahren muss, natürlich in den Hintergrund. Wie sich die beiden FBI-Beamten und die Staatsanwältin kennengelernt und in dem Fall ermittelt haben, rekapituliert der Film immer wieder in Rückblenden, wobei die persönlichen Beziehungen etwas verkrampft wirken. Während Nicole Kidman („The Hours“) die leicht unterkühlte Karrierefrau mimt, für die Ray schon vor dreizehn Jahren ein mehr als nur berufliches Interesse entwickelte, sieht man Julia Roberts („Erin Brockovich“) mehr als deutlich an, dass die persönliche Tragödie deutliche Spuren hinterlassen hat.
Warum sich Ray so leidenschaftlich in die Wiederaufnahme des Falls begibt, wird zwar auch nach und nach herausgearbeitet, aber wirklich stimmig wirken die Erklärungsansätze nicht. Vor allem unterbrechen die Rückschauen immer wieder den Erzählfluss in einem Thriller, der weniger durch die Geschichte und Inszenierung als durch seine engagierten Darsteller überzeugt. Das trifft nicht nur auf Chiwetel Ejiofor („Selma“) und Julia Roberts zu, die wirkungsvoll gegensätzliche emotionale Pole in „Vor ihren Augen“ darstellen, sondern auch auf Nebendarsteller wie Alfred Molina als Rays und Jess‘ FBI-Vorgesetzter Martin Morales, Dean Norris („Breaking Bad“) und Michael Kelly („House of Cards“) als ehemalige Kollegen. Ihnen ist zu verdanken, dass der Thriller bei der holprigen und nicht immer überzeugenden Dramaturgie nicht völlig in der Vergessenheit verschwindet.
"Vor ihren Augen" in der IMDb

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