Armee im Schatten

Nach „Das Schweigen des Meeres“ (1949) und „Eva und der Priester“ (1961) war „Armee der Schatten“ (1969) nicht nur bereits der dritte Film von Jean-Pierre Melville (1917-1973) über die Résistance im Kampf gegen die deutschen Besatzer, sondern der bis dahin auch teuerste Film der französischen Filmgeschichte. Zwar floppte das zweieinhalbstündige Kriegsdrama damals im Kino, entstand aber am Zenit von Melvilles Schaffen, der danach nur noch das Gangsterdrama „Vier im roten Kreis“ (1971) und den Polizeikrimi „Der Chef“ (1972) realisieren konnte, bevor er 1973 plötzlich an einem angeborenen Herzfehler verstarb. Das mit Lino Ventura, Paul Meurisse, Jean-Pierre Cassel und Simone Signoret hochkarätig besetzte Meisterwerk ist Teil der „Jean-Pierre Melville Edition“ von StudioCanal.
Im Oktober 1942 wird das einflussreiche Résistance-Mitglied Philippe Gerbier (Lino Ventura) verraten und von der Gestapo verhaftet. Bevor er in Paris einem Verhör unterzogen wird, gelingt ihm allerdings die Flucht zurück nach Marseille zu seiner Widerstandsgruppe, die bereits den Verräter ausfindig gemacht hat. Zusammen mit den Widerstandskämpfern Félix Lepercq (Paul Crauchet) und Guillaume Vermersch (Christian Barbier) lockt Gerbier den Verräter in ein Haus, wo dieser lautlos erdrosselt wird. Doch die Gefahr durch die Gestapo und Kollaborateure aus den eigenen Reihen macht der Résistance weiterhin zu schaffen. In letzter Sekunde kann der erneut verhaftete Gerbier einem Erschießungskommando der Gestapo entkommen, muss aber erfahren, dass die Tochter von Mathilde (Simone Signoret), die Leiterin der Pariser Résistance, in Gefangenschaft geraten ist und sterben muss, wenn Mathilde nicht zum Verrat bereit ist …
Melville ist jahrelang mit seinem Herzensprojekt schwanger gegangen, ehe er nach den Erfolgen mit „Der zweite Atem“ (1966) und vor allem mit „Der eiskalte Engel“ (1967) auch das Standing hatte, den aufwändig produzierten Film realisieren zu können. In „Armee der Schatten“ verarbeitete Melville eigene Erfahrungen aus dem Krieg mit Elementen aus einem Roman des Résistance-Kämpfers Joseph Kessel (1898-1979). Der Film ist einmal mehr von Melvilles lakonischer Distanz zu seinen Figuren gekennzeichnet, die ohne große Gesten und Worte ihrer Mission folgen, die sie oft sehr einsam macht. Beispielsweise muss Gerbier über einen Monat in einer abgeschieden gelegenen Baracke verweilen, allein mit fünf wissenschaftlichen Abhandlungen des Résistance-Chefs Luc Jardie, aber auch die Szenen in der Gestapo-Haft zeugen von der Einsamkeit der kämpferischen Figuren. Melville verzichtet auf typische Kriegs-Action und legt den Fokus seiner Erzählung ganz auf die alltäglichen Sorgen, Ängste und Pläne der französischen Widerstandskämpfer, ohne diese zu heroisieren. Schließlich übertreten auch sie die Grenze zwischen Gut und Böse.
Dank der eindringlichen Darstellungen gerade von Lino Ventura, mit dem Melville zuvor an „Der zweite Atem“ gearbeitet hatte, und Simone Signoret („Die Teuflischen“, „Der Weg nach oben“) ist „Armee im Schatten“ eine eindringliche Studie über Menschen, die durch Freundschaft, Verrat und Tod miteinander verbunden sind. Die aufwändig von Kameramann Pierre Lhomme restaurierte Filmfassung bietet als Bonus eine ausführliche Dokumentation in Spielfilmlänge. Produzent Jacques Dorfmann, Pierre Lhomme und weitere Beteiligte beschreiben die nicht immer leichte Zusammenarbeit mit Melville an dem Film und geben intime Einblicke in die Psyche eines genialen Filmemachers. 
"Armee im Schatten" in der IMDb

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