Tristana

1967 spielte Catherine Deneuve in Luis Buñuels „Belle de Jour“ eine bürgerliche Ehefrau, die von ihren masochistischen Fantasien geleitet ein Doppelleben als Prostituierte in einem Bordell zu leben begann. Drei Jahre später schlüpfte sie für Buñuels „Tristana“ eine ganz ähnliche Rolle, diesmal an der Seite von Fernando Rey. Im Rahmen der „Luis Buñuel Edition“ von StudioCanal ist dieses Meisterwerk nun erstmals auch auf Blu-ray zu genießen.
Nach dem Tod ihrer Mutter zieht die 19-jährige Tristana (Catherine Deneuve) zu ihrem vierzig Jahre älteren Vormund Don Lope (Fernando Rey). Der in fast ärmlichen Verhältnissen lebende Aristokrat gibt sich als Atheist und Sympathisant der Revolution und lehrt die streng katholisch erzogene, schüchterne Tristana die Freiheit, während er sie allerdings in den eigenen Mauern einsperrt, damit sie nicht den anzüglichen Avancen der Männerwelt ausgesetzt wird. Don Lope wiederum betrachtet die junge Frau nicht nur als sein Mündel, sondern auch als Geliebte, eine Rolle, die Tristana zunehmend anwidert. Als Tristana endlich beginnt, ihre Freiheit auszuleben, verliebt sie sich in den mittellosen Künstler Horacio (Franco Nero) und verlässt Don Lope. Erst als sie schwer an einer Blutvergiftung erkrankt und ihr ein Bein amputiert werden muss, kehrt sie in die Obhut des alten, durch eine Erbschaft wieder wohlhabenden Mannes zurück und lässt sich auf Anraten des Priesters auf eine Heirat ein, um das unmoralische Verhältnis zu legalisieren. Doch mittlerweile hat Tristana an Selbstbewusstsein gewonnen und weiß sich an ihrem verhassten Ehemann zu rächen …
Wie schon in „Viridiana“ (1961) und in einem etwas anderen Kontext auch in „Tagebuch einer Kammerzofe“ (1964) thematisiert Buñuel auch in „Tristana“ das Verhältnis einer jungen, unschuldigen Frau zu einem viel älteren Mann, der mal als Vormund, mal als Arbeitgeber fungiert, auf jeden Fall seine gehobene gesellschaftliche Stellung und das damit verbundene egomanische Selbstverständnis ausnutzt, das Objekt seiner Begierde zu verführen oder zumindest seinem Willen zu unterwerfen. Buñuel arbeitet dabei vor allem Don Lopes Doppelmoral einerseits heraus (indem er zwar die Freiheit predigt, Tristana aber zu seiner Gefangenen macht), andererseits aber die erstaunliche Wandlung der jungen Tristana von einer schüchternen, gottesfürchtigen Frau, die es ihrem Vormund in jeder Hinsicht recht machen will, zu einer selbstbewussten Frau, die für ihre Liebe zu dem attraktiven Maler Horacio einsteht und sich später an Don Lope auf grausame Weise rächt. Auf symbolisch vielschichtige Weise inszeniert Buñuel Tristanas durch katholische Strenge und aristokratische Selbstherrlichkeit determinierte Isolation, aus der sich fast zu spät nur durch leidenschaftliches Klavierspiel und die Liebe zu Horacio zu befreien vermag, ihre Freiheit aber teuer mit zunehmenden körperlichen und psychischen Zerfall bezahlen muss, der vor allem ihrer katholischen Erziehung geschuldet ist. Gerade in den fast traumhaften Bildern, als sie in schwarzem Gewand in der Kirche mit Don Lope getraut wird oder die Skulptur am Grabmal des Kardinals Tavera um Hilfe anzuflehen scheint, wird die Tragik in der Figur der jungen Frau deutlich gemacht.
"Tristana" in der IMDb

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