Der Fall Paradin

Nachdem der erfolgreiche Produzent David O. Selznick Alfred Hitchcock nach Hollywood geholt und mit ihm die erfolgreichen Filme „Rebecca“ (1940), „Ich kämpfe um dich“ (1945) und „Berüchtigt“ (1946) realisiert hatte, endete ihr Vertrag mit dem vierten Film „Der Fall Paradin“ (1947), den Hitchcock aber nur noch recht lustlos abdrehte. Trotz renommierter Darsteller wie Gregory Peck und Charles Laughton konnte der akribisch arbeitende Filmemacher mit dem Justiz-Thriller nicht an seine vorangegangenen Meisterwerke anknüpfen.
Als die attraktive Maddalena Anna Paradine (Alida Valli) in London beschuldigt wird, ihren wesentlich älteren, blinden Mann vergiftet zu haben, beauftragt ihr Familienanwalt Sir Simon Flaquer (Charles Coburn) den ebenso ambitionierten wie erfolgreichen Kollegen Anthony Keane (Gregory Peck) mit ihrer Verteidigung. Allerdings leidet nicht nur Keanes Arbeit darunter, dass er den Reizen der faszinierenden Angeklagten erliegt, auch seine Frau Gay (Ann Todd) spürt die zunehmende Veränderung im Verhalten ihres Mannes. Statt ihren Hochzeitstag mit einer Reise in die Schweiz oder nach Italien zu begehen, versucht Keane im Landhaus der Paradines herauszufinden, inwieweit der Stallknecht des hochdekorierten Kriegsveteranen, Andre Latour (Louis Jourdan), in den Fall verwickelt sein könnte, denn für ihn ist es unverständlich, wie sehr es seine Mandantin darauf anlegt, Latour nicht in diese Angelegenheit mit hineinzuziehen …
Wie in so vielen seiner publikumswirksamen Filme vermischt Hitchcock auch in „Der Fall Paradin“ eine Liebesgeschichte mit einem Kriminaldrama. Zwar steht von Beginn an die Frage im Raum, ob eine so betörend schöne Frau wie Mrs. Paradine einen so heimtückischen Mord an ihrem hilflosen Mann verübt haben kann, doch geht es Hitchcock vor allem darum, die Beziehungen zwischen Keane, seiner Frau und der Angeklagten einerseits, zwischen Mrs. Paradine und Latour andererseits auszuloten. Aber auch Richter Thomas Horfield (Charles Laughton) spielt hier eine Rolle, der gegenüber Keane voreingenommen ist, weil er bei seiner Frau Gay nicht landen konnte und stattdessen weiterhin mit seiner einfühlsamen, aber in die Jahre gekommenen Frau Lady Sophie (Ethel Barrymore) vorlieb nehmen muss. Die Szenen mit Charles Laughton und Ethel Barrymore zählen zu den stärksten Momenten des Films und bringen auch etwas englischen Humor in das von unterdrückten Leidenschaften geprägte Setting. Daneben kann eigentlich nur noch Alida Valli („Der dritte Mann“, „Sehnsucht“) als offensichtlich liebestolle und doch merkwürdig geheimnisvolle Femme fatale überzeugen, während sich Gregory Peck („Wer die Nachtigall stört“, „Ein Herz und eine Krone“) sichtlich unwohl in der Rolle eines britischen Anwalts, der seine Ehe durch seine Gefühle für seine mysteriöse Mandantin aufs Spiel zu setzen scheint, und Ann Todd („Die große Leidenschaft“, „Der unbekannte Feind“) als mal eifersüchtige, dann wieder übermäßig verständnisvolle Frau eher nervt und auch Latour-Darsteller Louis Jourdan im Zeugenstand zu dick aufträgt.
Im Nachhinein gab Hitchcock zu, dass er Gregory Peck und Louis Jourdan, aber auch Alida Valli für Fehlbesetzungen hielt, dennoch sind ihm einige schöne Einstellungen gelungen, die sein versiertes Spiel mit Licht und Schatten dokumentieren, beispielsweise in der Szene, wie Latour in den Zeugenstand gerufen wird und die Kamera um den Kopf der Angeklagten kreist. Obwohl Hitchcock von der Zusammenarbeit mit dem kontrollsüchtigen Selznick angenervt war, hat der Brite durch Selznick doch gelernt, welche Macht der Produzent bei einem Film ausüben kann, weshalb er mit seinem alten Freund Sidney Bernstein die eigene Produktionsgesellschaft Transatlantic Pictures gründete.
"Der Fall Paradin" in der IMDb

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