Ich kämpfe um dich

Fünf Jahre nach dem gelungenen Einstand mit ihrem ersten gemeinsamen Film „Rebecca“ (1940) inszenierte Alfred Hitchcock mit Produzent David O. Selznick „Ich kämpfe um dich“ einen weiteren atmosphärisch dichten Schwarzweißfilm, der hinter der Geschichte einer psychoanalytischen Studie einmal mehr eine Romanze mit Krimi-Elementen verbindet.
Bevor Dr. Murchison (Leo G. Carroll) als Leiter der psychiatrischen Anstalt Green Manors in Vermont in den Ruhestand geht, stellt er seinen Kollegen Dr. Graff (Steven Geray), Dr. Hanish (Paul Harvey), Dr. Fleurot (John Emery) und Dr. Constance Peterson (Ingrid Bergman) noch seinen Nachfolger vor, den renommierten Dr. Edwardes (Gregory Peck).
Constance, die zuvor noch den Avancen von Dr. Fleurot eine Abfuhr erteilt hat, ist seit dem ersten Augenblick hin und weg von dem gut aussehenden Mann, der allerdings schon beim gemeinsamen Abendessen mit dem neuen Kollegium aus der Haut fährt, als er dabei zusieht, wie Constance mit der Gabel auf der weißen Tischdecke ihre Vorstellung von der Form des neuen Schwimmbads auf dem Gelände skizziert. Die Ärztin beobachtet diesen Vorfall mit professioneller Neugier und findet mit der Zeit heraus, dass Dr. Edwardes offenbar an einer Amnesie leidet, durch die er ein traumatisches Erlebnis aus seiner Kindheit zu verdrängen sucht. Als herauskommt, dass sich hinter Murchisons Nachfolger nicht der echte Edwardes verbirgt, sondern ein Betrüger, wird dieser beschuldigt, den echten Edwardes ermordet zu haben.
Constance reist dem Flüchtenden nach New York nach und kann den Mann, der in Wirklichkeit John Ballantine heißt, dazu überreden, mit ihr zu ihrem alten Lehrer Dr. Brulov (Michael Chekhov) zu fahren, der mittels Traumdeutung herausfinden soll, was hinter Ballantines Schuldkomplex steckt …
Hitchcock hat sich in den besten seiner Filme (u.a. „Die 39 Stufen“, „Marnie“, „Über den Dächern von Nizza“, „Rebecca“) als Meister der doppelbödigen Spannungs-Unterhaltung erwiesen. Waren es in „Die 39 Stufen“ der Spionage-Plot und in „Rebecca“ der düstere Schatten einer verstorbenen Hausherrin, die den Rahmen für eine komplizierte, hindernisreiche Liebesbeziehung bildeten, muss in „Ich kämpfe um dich“ die derzeit populäre Psychoanalyse herhalten, um die Romanze zwischen Constance und ihrem psychisch kranken Geliebten mit einer spannenden Geschichte voranzutreiben. Interessant ist dabei nicht nur die offensichtlich schizophrene Persönlichkeit, die Gregory Peck („Der Fall Paradin“, „Wer die Nachtigall stört“) darstellt, sondern auch von Dr. Constance Petersen, der von ihrem Kollegen Dr. Fleurot vorgeworfen wird, keine Erfahrung in Liebesdingen und auch scheinbar kein Interesse daran zu haben, wohingegen sie bei der ersten Begegnung mit dem vermeintlichen Dr. Edwardes Feuer und Flamme für den adretten und gebildeten Mann ist.
Und so ist es nicht nur ihre professionelle Neugier, sondern auch ihre Liebe, die sie alle Mittel ausschöpfen lässt, um dem kranken Mann zu helfen und seine Unschuld zu beweisen, womit sie meist allein auf weiter Flur steht. Zusammen mit Salvador Dalí, mit dessen Hilfe die Traumsequenzen inszeniert wurden, beackert Hitchcock wortreich das Feld der Psychoanalyse, der Traumdeutung und des Schuldkomplexes, um Stück für Stück zum Kern des Problems und damit zum Auslöser für Ballantines Amnesie vorzurücken.
Die Auflösung kommt dann recht abrupt, und auch wenn so einige Erklärungen etwas schulmeisterhaft und mittlerweile auch antiquiert erscheinen, hat Hitchcock die Persönlichkeitsstörung geschickt als dramaturgisches Mittel zur Spannungserzeugung verwendet. Dank des gut besetzten Ensembles, unter dem vor allem Ingrid Bergman („Berüchtigt“, „Das Haus der Lady Alquist“) als willensstarke Heldin hervorsticht, nachdem sie die Überraschung durch die plötzlich erwachte Leidenschaft abgelegt hat, der kontrastreichen Inszenierung und Miklós Rózsas packenden Scores zählt „Ich kämpfe um dich“ zwar nicht zu den besten, aber durchaus besseren Filmen des Suspense-Meisters.
"Ich kämpfe um dich" in der IMDb

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