Die Poesie des Unendlichen

Ron Howard hat bereits 2001 mit dem vierfachen Oscar-Gewinner „A Beautiful Mind“ bewiesen, dass die Lebensgeschichte von genialen Mathematikern keineswegs eine langweilige Angelegenheit sein müssen, und auch Morten Tyldums „The Imitation Game“ vermochte Kritiker und Publikum zu begeistern. Weitaus weniger dramatisch präsentiert sich Matthew Browns stilles Drama „Die Poesie des Unendlichen“.
Srinivasa Ramanujan (Dev Patel) ist von der Mathematik besessen. Doch im südindischen Madras findet der 25-Jährige im Jahre 1913 mit seinen komplexen Formelsammlungen keinen Interessenten. Wenigstens kommt er in einem Büro als einfacher Buchhalter unter, so dass er endlich mit seiner Janaki (Devika Bhisé) in ein gemeinsames Haus ziehen kann.
Da Ramanujans größter Wunsch aber darin besteht, dass seine Formeln veröffentlicht werden, wendet er sich an den britischen Mathematikprofessor G. H. Hardy (Jeremy Irons), der am Trinity College in Cambridge arbeitet und von Ramanujans Arbeit so angetan ist, dass er ihn zu sich ans Institut einlädt. Zunächst fällt es vor allem Hardy schwer, sich auf das indische Genie einzulassen, doch je mehr er von Ramanujans Fähigkeiten überzeugt wird, desto mehr setzt er sich für seinen Schützling ein – auch gegen den massiven Protest seiner akademischen Kollegen …
Matthew Brown hat „Die Poesie des Unendlichen“ nach eigenem Drehbuch, basierend auf Robert Kanigels Biografie, inszeniert und sich bei seinem Biopic ganz auf das indische Mathematik-Genie konzentriert, das in der wissenschaftlichen Welt um Anerkennung kämpft. Im Mittelpunkt stehen dabei nicht nur die Bemühungen des renommierten Mentors, seinen Schützling mit der notwendigen wie nachvollziehbaren Beweisführung vertraut zu machen, ohne die keine Formel veröffentlicht werden kann, sondern auch das Aufeinanderprallen zweier unterschiedlicher Kulturen. Während Ramanujan seine Formeln durch eine indische Göttin eingeflüstert bekommt, findet Hardy keinen Bezug zu Gott und überhaupt schwer Anschluss an Menschen, weshalb er Ramanujan gegenüber zunächst etwas schroff gegenübertritt.
Im Gegensatz zu thematisch ähnlich gelagerten Filmen wie die eingangs erwähnten Oscar-Preisträger „A Beautiful Mind“ und „The Imitation Game“, wo die mathematischen Genies sich im Wettlauf gegen die Zeit befanden, um im Krieg Dechiffrierungscodes zu entwickeln, lässt es „Die Poesie des Unendlichen“ an dramaturgischer Spannung gänzlich fehlen.
Dafür versteht es der Film, den Konflikt zwischen Glauben und Wissenschaft nicht nur aufzugreifen, sondern gewissermaßen auch aufzulösen, wie Hardy in der Verteidigung von Ramanujans Arbeit vor seinen skeptischen Kollegen wunderbar darbietet. Ansonsten entwickelt der Film seine menschliche Komponente vor allem aus der Fernbeziehung zwischen Ramanujan und seiner in Indien zurückgebliebenen Frau, wobei diese dadurch erschwert wird, dass Ramanujans Mutter die Briefe der beiden Geliebten versteckt und sowohl Ramanujan als auch Janaki davon ausgehen, verlassen worden zu sein.
Und schließlich sorgen Ramanujans schwere Erkrankung und der Hintergrund des Ersten Weltkriegs für emotionale Momente in einem Drama, das Mathematik keineswegs als gänzlich abstrakte Wissenschaft präsentiert, sondern als göttliche Gabe, die Unendlichkeit zu verstehen.
Die schauspielerischen Leistungen, die tolle Ausstattung und die feinfühlige Inszenierung machen „Die Poesie des Unendlichen“ zu einem sehenswerten Biopic, das auch ohne dramatische Höhepunkte für kurzweilige Unterhaltung sorgt.
"Die Poesie des Unendlichen" in der IMDb

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