Hamlet

Seit der französische Filmpionier Georges Méliès 1907 die erste Verfilmung der Shakespeare-Tragödie „Hamlet“ inszenierte, hat sich das populäre Stück des meistverfilmten Autors auch zum beliebtesten Stoff bei den Filmemachern etabliert. Nachdem zuletzt Franco Zeffirelli „Hamlet“ 1990 mit Mel Gibson und Glenn Close in den Hauptrollen und Kenneth Branagh 1996 eine werkgetreue Adaption abgeliefert haben, versuchte sich im Jahr 2000 Michael Almereyda („Another Girl Another Planet“, „Nadja“) an einer moderneren Interpretation.
Nur kurze Zeit nach dem Tod des Firmenchefs der in New York ansässigen Denmark Corporation hat dessen jüngerer Bruder Claudius (Kyle MacLachlan) nicht nur mit Gertrude (Diane Venora) die Frau des Verstorbenen übernommen, sondern auch die Firmengeschäfte. Claudius‘ Neffe Hamlet (Ethan Hawke), der nicht an einen natürlichen Tod seines Vaters glaubt, bekommt wenig später Besuch von seinem Geist (Sam Shepard), der Hamlets Verdacht nicht nur bestätigt, sondern ihn auch auffordert, seinen Tod zu rächen, dabei aber seine Mutter zu verschonen.
Hamlet ersinnt einen raffinierten Plan, um seinen Onkel der Tat zu überführen und gibt sich geistig verwirrt, um Zeit zu gewinnen. Claudius vermutet, dass hinter der Schwermütigkeit seines Neffen die Zurückweisung durch Ophelia (Julia Stiles) steckt, in die sich Hamlet verliebt hat, die allerdings auch von ihrer Familie davon abgehalten wird, eine nicht standesgemäße Beziehung mit Hamlet zu führen. Als Claudius erfährt, was Hamlet im Schilde führt, setzt er alles daran, seine Ehre zu verteidigen und seinen Widersacher aus dem Weg zu räumen …
Almereyda hat das gut vierstündige Drama, das 1602 uraufgeführt wurde und im Königreich Dänemark spielt, nicht nur – kinokompatibel - um die Hälfte gekürzt, sondern auch ins moderne New York verlegt, wo aus dem Königreich ein Konzern mit Namen „Denmark Corporation“ geworden ist. Hamlet ist hier ein existentialistischer Filmstudent, der auf Wunsch seines Onkels nicht zum Studium nach Wittenberg zurückkehrt, sondern in New York bleibt, wo er schließlich an dem Film arbeitet, mit dessen Vorführung im Familienkreis er seinen Onkel des Giftmords überführen will. Almereyda hat für seine Shakespeare-Adaption den Text zwar gekürzt, aber sonst wortwörtlich übernommen. So stellt seine Inszenierung einen gewöhnungsbedürftigen Kontrast zwischen der altertümlichen Sprache und der modernen Lebenswelt dar, die mit Fax, Videotheken und Polaroid-Fotos heute schon wieder anachronistisch wirkt. Anders als bei Baz Luhrmann, der vier Jahre zuvor das Shakespeare-Drama „Romeo + Juliet“ als knallbuntes Pop-Musical verfilmt hat, gelingt Almereyda aber der Brückenschlag zwischen den Jahrhunderten nicht so überzeugend. Dazu bietet sein „Hamlet“ nicht die eindringlichen audiovisuellen Reize, die das Geschehen stimmungsvoll mittragen.
Stattdessen wirken die jahrhundertealten Verse in dem sterilen Ambiente der Hochfinanz fehl am Platze und bringen die Konflikte zwischen den Figuren und vor allem Hamlets innermenschlichen Zweifel und Ängste nicht so eindringlich zum Ausdruck. Davon abgesehen sorgt der imponierend prominente Cast und Carter Burwells stimmungsvolle musikalische Untermalung für eine durchaus sehenswerte Shakespeare-Erfahrung, die sich allerdings nicht mit denen von Zeffirelli und Branagh messen kann. 
"Hamlet" in der IMDb

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