Unter falschem Verdacht

Bevor Henri- Georges Clouzot mit Filmen wie „Lohn der Angst“ (1953), „Die Teuflischen“ (1955) und „Spione am Werk“ (1957) seinen Ruf als Meisterregisseur festigte, hatte er mit „Unter falschem Verdacht“ 1947 einen düsteren Kriminalfilm inszeniert, der sowohl die Pariser Varietéwelt als auch die Ermittlungsmethoden der Polizei eindringlich beschreibt.
Die ehrgeizige Sängerin mit dem Künstlernamen Jenny Lamour (Suzy Delair) und ihr Mann, der eifersüchtige Pianist Maurice Martineau (Bernard Blier), verdienen sich ihren Lebensunterhalt in einem Pariser Varieté-Theater, doch die aus ärmlichen Verhältnissen stammende Sängerin möchte höher hinaus und verabredet sich mit dem Geschäftsmann Georges Brignon (Charles Dullin) zum Essen, weil er ihr eine Filmrolle verschaffen könnte. Maurice macht Brignon im Restaurant eine Szene und droht sogar, ihn umzubringen, sollte er nicht die Finger von seiner Frau lassen.
Als Brignon wenig später tatsächlich ermordet aufgefunden wird, gerät Maurice natürlich sofort in den Fokus der Ermittlungen von Inspektor Antoine (Louis Jouvet). Um ihren Mann aus der misslichen Lage zu befreien, versucht Jenny mit Hilfe der ebenfalls in ihrem Haus lebenden befreundeten Fotografin Dora Monier (Simone Renant), mögliche Beweise aus Brignons Wohnung zu entfernen, während Maurice wiederum seine Frau von der Liste der Verdächtigen streichen zu lassen, doch der hartnäckige Inspektor lässt sich selbst an dem kalten Weihnachtsabend nicht davon abbringen, Licht in das Dunkel dieses vertrackten Falls zu bringen …
Clouzot hat wie schon in seinem vorangegangenen Film „Der Rabe“ (1943) mit „Unter falschem Verdacht“ einen raffiniert konstruierten Whodunit-Kriminalfilm inszeniert, der vor allem aber durch seine authentische Darstellung des Pariser Nachtlebens in den Theatern, Restaurants und auf den Straßen ebenso überzeugt wie durch die stimmungsvolle Atmosphäre im Polizeipräsidium.
Der versierte Filmemacher hat viel Zeit dafür verwendet, zunächst das rege Treiben im Varieté-Theater einzufangen und dabei vor allem gleich in der Eingangssequenz die Probleme zu thematisieren, die der eifersüchtige Maurice mit dem koketten Gebaren seiner Frau hat, die jede Chance ergreifen möchte, etwas Besseres aus sich zu machen. Nach dem Mord an dem einflussreichen Geschäftsmann treten schließlich die polizeilichen Ermittlungen in den Vordergrund, die von dem charismatischen Inspektor Antoine geleitet werden. Der ledige Kriegsveteran hat aus Afrika einen mittlerweile zwölfjährigen Jungen unter seine Fittiche genommen und kümmert sich liebevoll um ihn. Auch bei seinen Ermittlungen geht Antoine äußerst gewissenhaft vor und gibt sich nicht mit den hinreichenden Verdachtsmomenten zufrieden, die die ihm vorliegenden Zeugenaussagen und Beweise nahelegen. Stattdessen sucht er immer wieder das Theater, Zeugen und Verdächtige auf, um sich ein umfassendes Gesamtbild zu verschaffen. Die Auflösung wirkt am Ende sehr konstruiert, aber bis dahin bekommt der Zuschauer einen grandios fotografierten, milieugetreuen Krimi zu sehen, in dem vor allem die beiden männlichen Hauptdarsteller und Simone Renant als offensichtlich lesbische Fotografin überzeugen. Bei den Filmfestspielen von Venedig wurde Clouzot 1947 für diesen Film als bester Regisseur ausgezeichnet. 
"Unter falschem Verdacht" in der IMDb

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