Amores Perros

Bevor der Mexikaner Alejandro González Iñárritu mit „21 Gramm“ (2003) und „Babel“ (2006) zu einem international gefeierten Filmemacher avancierte, legte er 2000 mit „Amores Perros“ ein eindringlich gespieltes und episodisch inszeniertes Drama vor, in dem die beteiligten Hunde ebenso eine Schlüsselrolle einnehmen wie die Menschen.
Der verträumte Octavio (Gael García Bernal) lebt mit seiner Mutter, seinem Bruder Ramiro (Marco Pérez), dessen Frau Susana (Vanessa Bauche) und ihrem gemeinsamen Baby in ärmlichen Verhältnissen unter einem Dach. Da Ramiros Gehalt als Angestellter in einem Drogerie-Supermarkt nicht ausreicht, um die Familie zu ernähren, schafft Ramiro mit Raubüberfällen mehr Geld ran, während Octavio davon träumt, mit seiner Schwägerin durchzubrennen, und die Flucht damit zu finanzieren beginnt, dass er seinen Rottweiler Gofi bei blutigen Händekämpfen antreten lässt.
Nach einer brutalen Auseinandersetzung mit seinem ewigen Konkurrenten flüchten Octavio, sein bester Freund Jorge (Humberto Busto) und der schwer verwundete Gofi im Auto durch die Straßen von Mexico City und geraten auf einer Kreuzung in einen folgenschweren Unfall, in den auch das prominenten Fotomodell Valeria (Goya Toledo) verwickelt ist. Sie war gerade auf dem Weg, die Tatsache zu feiern, dass sich ihr Liebhaber, der erfolgreiche Zeitschriftenverleger Daniel (Álvaro Guerrero), von seiner Frau getrennt hat, um mit ihr in einer neuen Wohnung zusammenzuleben. Doch seit Valerias Hund Richi in einem Loch des Parkettbodens verschwunden ist, bekommt die Beziehung erste Risse. Zeuge des Autounfalls ist auch der ehemalige Sandinist El Chivo (Emilio Echevarría), der wie ein Penner mit seinen Hunden durch die Stadt zieht und sich sein Lebensunterhalt als gelegentlicher Auftragskiller verdient, vor allem aber davon träumt, seiner Tochter beizubringen, dass er nicht, wie sie glaubt, verstorben ist …
Iñárritu („Birdman“, „The Revenant“) konfrontiert den Zuschauer in seinem zweieinhalbstündigen Drama gleich zu Beginn mit der brutalen Welt, in der die Protagonisten der ersten Episode leben, indem er mit wackelnder Handkamera und schnellen Schnitten die Verfolgungsjagd und den aussichtslos erscheinenden Kampf um das Leben des schwer verletzten Hundes auf der Rückbank inszeniert.
Nach dieser rabiaten Einführung wirken die brutalen Hundekämpfe, mit denen Octavio fortan sein Geld verdient, fast schon ihren Schrecken. Spätestens mit der zweiten Episode wird deutlich, dass die Hunde der Protagonisten wie ein Spiegel der Gesellschaft wirken, in der sich die Figuren bewegen. Nach dem im wortwörtlichen Überlebenskampf gestärkten Gofi, der sinnbildlich die Lebensverhältnisse der desillusionierten Unterschicht symbolisiert, steht Valerias Schoßhündchen Richi für die oberflächlich glitzernde Welt der Schönen und Reichen. Mit dem Verschwinden des Hundes fällt auch Valerias Leben Stück für Stück auseinander.
Als Gofi schließlich bei El Chivo landet, schließt sich der Kreis zwischen den drei Episoden und den Schicksalen der Figuren, die sich hier und dort am Rande begegnen. Wie in seinen späteren Dramen „21 Gramm“ und „Babel“ erweist sich Iñárritu bereits in seinem Debüt als grandioser Gestalter komplexer Verflechtungen, beleuchtet in eindringlichen Nahaufnahmen die Lebensumstände seiner Figuren und ihrer Schicksale. Zusammen mit seinem Co-Autoren Guillermo Arriaga fragmentiert er die einzelnen Handlungsstränge, würfelt ihre zeitliche Chronologie durcheinander, um seine Figuren durch ihre jeweils eigene Hölle zu schicken. Doch bei aller Gewalt findet am Ende auch Hoffnung und Versöhnung Platz in dem emotional aufwühlenden, großartig gespielten und fast schon dokumentarisch inszenierten Episoden-Drama.
"Amores Perros" in der IMDb

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